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Coronavirus: Virologische Details im Magazin Nature

Die Forschungsgruppen aus München und Berlin planen, bei der ersten deutschen Fallgruppe und auch bei weiteren Patientinnen und Patienten zu untersuchen, wie genau sich die langfristige Immunität gegen SARS-CoV-2 entwickelt.



Anfang Februar haben Forschungsgruppen der Charité – Universitätsmedizin Berlin, der München Klinik Schwabing und des Instituts für Mikrobiologie der Bundeswehr ihre Erkenntnisse zur leichten Übertragbarkeit von SARS-CoV-2 in die Öffentlichkeit getragen. Ihre detaillierten Beobachtungen des Infektionsverlaufs bei der ersten Gruppe von COVID-19-Patienten in Deutschland sind jetzt in der Fachzeitschrift Nature* erschienen. Auf Basis dieser Erkenntnisse lassen sich Kriterien erarbeiten, nach denen COVID-19-Patienten bei begrenzten Bettenkapazitäten frühestens aus dem Krankenhaus entlassen werden könnten.

Ende Januar wurden im Landkreis Starnberg bei München die ersten miteinander zusammenhängenden COVID-19-Fälle in Deutschland bekannt. Neun Patientinnen und Patienten dieser sogenannten Münchner Fallgruppe wurden anschließend in der München Klinik Schwabing medizinisch betreut. „Zu diesem Zeitpunkt wussten wir wirklich nur sehr wenig über das neuartige Coronavirus, das wir jetzt als SARS-CoV-2 kennen“, sagt Prof. Dr. Christian Drosten, Direktor des Instituts für Virologie am Campus Charité Mitte und einer der beiden leitenden Autoren der Studie. „Wir haben diese neun Fälle über ihren Krankheitsverlauf hinweg deshalb sehr engmaschig virologisch untersucht – und so viele wichtige Details über das neue Virus erfahren.“

„Die bei uns betreuten Patientinnen und Patienten waren jüngeren bis mittleren Alters. Sie zeigten insgesamt eher milde Symptome und grippeähnliche Symptome wie Husten und Fieber sowie ein gestörtes Geruchs- und Geschmacksempfinden“, erläutert der zweite leitende Autor der Publikation Prof. Dr. Clemens Wendtner, Chefarzt der Infektiologie und Tropenmedizin an der München Klinik Schwabing, einem akademischen Lehrkrankenhaus der Ludwig-Maximilians-Universität. „Für die wissenschaftliche Aussagekraft unserer Studie war dabei von Vorteil, dass die Fälle alle mit einer Indexpatientin in Verbindung standen und nicht nur aufgrund bestimmter Symptome untersucht wurden. So konnten wir uns ein gutes Bild vom virologischen Geschehen machen und wichtige Erkenntnisse, beispielsweise zur Übertragbarkeit des Virus, gewinnen.“

Dazu wurden bei den Patientinnen und Patienten über den gesamten Verlauf der Infektion täglich Abstriche aus dem Nasen-Rachen-Raum und Proben des Husten-Auswurfs entnommen – bis zu 28 Tage nach Beginn der Symptome. Zusätzlich sammelten die Forschenden, wann immer möglich und sinnvoll, Stuhl-, Blut- und Urin-Proben. Alle Proben wurden anschließend unabhängig voneinander in zwei Labors auf SARS-CoV-2 hin analysiert: im Institut für Virologie am Campus Charité Mitte in Berlin und im Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr in München, einer Einrichtung des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF).

Wie die Forschungsgruppe beobachten konnte, war die Virusausscheidung im Rachen der COVID-19-Erkrankten in der ersten Woche nach Beginn der Symptome sehr hoch. Auch im Husten-Auswurf konnten große Mengen Virus-Erbgut nachgewiesen werden. Sowohl aus den Rachen-Abstrichen als auch aus dem Husten-Auswurf ließen sich infektiöse Virus-Partikel isolieren. „Das bedeutet, dass sich das neue Coronavirus nicht erst in der Lunge, sondern bereits im Rachen vermehren kann und damit sehr leicht übertragbar ist“, erklärt Prof. Drosten, der auch DZIF-Wissenschaftler und Professor des Berlin Institute of Health (BIH) ist. Aufgrund der genetischen Ähnlichkeit zum ursprünglichen SARS-Virus war die Forschungsgruppe zunächst davon ausgegangen, dass das neue Coronavirus, wie das alte SARS-Virus auch, nur die Lunge befällt und dadurch nicht so leicht von einem Menschen an einen anderen weitergegeben werden kann. „Unsere Untersuchungen der Münchner Fallgruppe haben stattdessen gezeigt, dass sich das neue SARS-Coronavirus von dem alten in Bezug auf das befallene Gewebe stark unterscheidet“, sagt der Virologe. „Das hat natürlich enorme Konsequenzen für die Ausbreitung der Infektion, weshalb wir unsere Erkenntnisse bereits Anfang Februar bekannt gemacht haben.“

In den meisten Fällen nahm die Viruslast im Rachen über die erste Krankheitswoche deutlich ab. Die Virusausscheidung in der Lunge fiel ebenfalls, jedoch später als im Rachen. Ab Tag 8 nach Symptombeginn gelang es den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nicht mehr, infektiöse Viruspartikel zu isolieren – obwohl weiterhin noch Virus-Erbgut im Rachen und in der Lunge nachzuweisen war. Dabei zeigte sich: Enthielten die Proben weniger als 100.000 Kopien des Virus-Erbguts, ließen sich keine infektiösen Viren mehr nachweisen. Das lässt zweierlei Schlussfolgerungen zu: „Die hohe Viruslast im Rachen gleich zu Beginn der Symptome deutet darauf hin, dass COVID-19-Erkrankte bereits sehr früh infektiös sind, möglicherweise sogar bevor sie überhaupt bemerken, dass sie krank sind“, erklärt Oberstarzt Privatdozent Dr. Roman Wölfel, Direktor des Instituts für Mikrobiologie der Bundeswehr und einer der Erstautoren der Studie. „Gleichzeitig scheint die Infektiosität der COVID-19-Patienten von der Viruslast im Rachen bzw. der Lunge abzuhängen. Das ist ein wichtiger Faktor für die Entscheidung, wann ein Patient bei knappen Bettenkapazitäten und entsprechendem Zeitdruck frühestens aus dem Krankenhaus entlassen werden kann.“ Auf Basis dieser Daten schlagen die Autorinnen und Autoren der Studie vor, dass COVID-19-Patienten in die häusliche Quarantäne entlassen werden können, wenn sich nach dem 10. Tag der Erkrankung weniger als 100.000 Kopien des Viren-Erbguts im Husten-Auswurf nachweisen lassen.

Wie die Forschenden außerdem zeigen konnten, vermehrt sich SARS-CoV-2 vermutlich auch im Magen-Darm-Trakt. Allerdings ließen sich im Stuhl der Patienten keine infektiösen Viren nachweisen. In Blut und Urin fand sich das Virus nicht. Die Blutseren der Patientinnen und Patienten wurden zusätzlich darauf untersucht, ob sie Antikörper gegen SARS-CoV-2 enthielten. Die Hälfte der Patientengruppe entwickelte bis zum 7. Tag nach Symptombeginn Antikörper gegen das Virus, nach zwei Wochen hatten alle Patientinnen und Patienten Antikörper produziert. Mit der einsetzenden Antikörperproduktion ging ein langsamer Abfall der Viruslast einher.

Die Forschungsgruppen aus München und Berlin planen, bei der ersten deutschen Fallgruppe und auch bei weiteren Patientinnen und Patienten zu untersuchen, wie genau sich die langfristige Immunität gegen SARS-CoV-2 entwickelt. Diese Analysen werden auch für die Entwicklung von Impfstoffen von großer Bedeutung sein.

Charité – Universitätsmedizin Berlin