Die Bundesregierung hat mit Sorge auf die Verabschiedung eines Kernelements der umstrittenen Justizreform in Israel reagiert. Im Namen von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und des gesamten Kabinetts trug Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Mittwoch in Berlin eine Erklärung vor: "Ich kann sagen, dass die Bundesregierung die Entscheidung des israelischen Parlaments, die am Montag mit knapper Mehrheit ergangen ist, mit einer gewissen Sorge zur Kenntnis nimmt."
Scholz sei mit Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und mit Präsident Isaac Herzog im Gespräch über die Lage - wobei der Kanzler die Haltung des Präsidenten teile, der die Justizreform kritisch sieht. "Der Bundeskanzler weiß sich einig mit Präsident Herzog, der wiederholt seine Sorge vor der aktuellen Entwicklung geäußert und auch vor einer Staatskrise gewarnt hat", sagte Hebestreit.
Der Sprecher fügte hinzu: "Wir unterstützen die Bemühungen des israelischen Staatspräsidenten, einen Kompromiss zu finden, der von einer breiten Basis der Gesellschaft getragen wird." Dafür brauche es "Zeit und den Willen, Spaltungen zu überwinden und über Kompromisse zu sprechen".
Auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und andere Kabinettsmitglieder hätten "in den vergangenen Tagen, Wochen und Monaten ihre Position auch ihre Sorgen mit ihren israelischen Freundinnen und Freunden immer wieder deutlich gemacht", sagte Hebestreit. Er fügte hinzu: "Für uns bleibt klar: Aus enger Verbundenheit mit Israel und seinen Menschen blicken wir mit Sorge auf die Spannungen in der israelischen Gesellschaft."
Auf wiederholte Nachfrage während der Regierungspressekonferenz in Berlin vermied es Hebestreit, die Justizreform in Israel im Namen der Bundesregierung ausdrücklich zu kritisieren. Er beließ es bei der Formulierung, dass die Bundesregierung die Entwicklung "mit einer gewissen Sorge" verfolge.
Das israelische Parlament hatte ungeachtet anhaltender Proteste im Land einen entscheidenden Teil der umstrittenen Justizreform der Regierung Netanjahus gebilligt. Die Knesset verabschiedete mit den Stimmen der rechts-religiösen Regierungsmehrheit die sogenannte Angemessenheitsklausel, die dem Obersten Gericht die Möglichkeit nimmt, Regierungsentscheidungen als "unangemessen" einzustufen und sie außer Kraft zu setzen.
pw/cha © Agence France-Presse