Nach einem ukrainischen Angriff auf einen russischen Tanker im Schwarzen Meer ist die Ukraine am Wochenende von Russland mit einer massiven Angriffswelle überzogen worden. Nach Angaben Kiews beschoss die russische Armee am Samstag unter anderem ein Zentrum für Bluttransfusionen. Auch eine Niederlassung der strategisch wichtigen Fabrik Motor Sitsch für Flugzeug- und Hubschraubertriebwerke wurde demnach angegriffen. Die ukrainische Luftwaffe zerstörte nach eigenen Angaben in der Nacht zu Sonntag insgesamt 30 russische Marschflugkörper und 27 Angriffsdrohnen.
Das Zentrum für Bluttransfusionen wurde ukrainischen Angaben zufolge in der Stadt Kupjansk in der nordöstlichen Region Charkiw von einer russischen Bombe getroffen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach von einem russischen "Kriegsverbrechen". Im Onlinedienst Telegram führte Selenskyj am Samstagabend aus, es gebe Berichte über "Tote und Verletzte" bei dem Angriff. Russland zerstöre lebensnotwendige Einrichtungen.
Kurz zuvor hatte es ukrainischen Angaben zufolge einen Angriff auf die strategisch wichtige Fabrik Motor Sitsch zur Herstellung von Flugzeug- und Hubschraubertriebwerken gegeben. Der Hauptsitz von Motor Sitsch befindet sich in der teilweise von Russland kontrollierten Region Saporischschja im Südosten der Ukraine. Es war unklar, ob die russischen Angriffe das Hauptquartier von Motor Sitsch oder eine andere Niederlassung getroffen hatten.
Insgesamt meldete die ukrainische Luftwaffe 70 russische Angriffe in der Nacht auf Sonntag. Ein Großteil davon sei abgewehrt worden. "30 Marschflugkörper und 27 Angriffsdrohnen wurden zerstört", erklärte die Luftwaffe am Sonntag im Onlinedienst Telegram. Demnach setzte Russland in mehreren Angriffswellen in der Nacht insgesamt 70 Luftangriffswaffen ein, darunter auch drei Hyperschallraketen des Typs Kinschal.
Die ukrainischen Streitkräfte machten keine Angaben darüber, welche Standorte von den Raketen getroffen wurden, die die Luftabwehr durchdrangen.
Die russische Armee erklärte, sie habe "Luftwaffenstützpunkte der ukrainischen Streitkräfte rund um die Siedlungen Starokostiantyniw in der Region Chmelnyzkyj und Dubno in der Region Riwne" im Westen der Ukraine angegriffen. Russlands Verteidigungsministerium erklärte, seine Streitkräfte hätten "alle Ziele getroffen".
Die hunderte Kilometer von der Front entfernte Region Chmelnyzkyj mit einem großen ukrainischen Luftwaffenstützpunkt in der Westukraine gerät regelmäßig ins Visier von Russland. "Seit gestern Abend wurde die Region Chmelnyzkyj dreimal angegriffen (...) die meisten Raketen wurden abgeschossen", erklärte Serhij Tjurin von der örtlichen Verwaltung am Sonntag.
Mehrere Gebäude und der Busbahnhof seien beschädigt worden, erklärte er auf Telegram. Tjurin veröffentlichte auch Bilder eines in Flammen stehenden Gebäudes und berichtete, ein Lagerhaus für Maisabfälle sei in Brand geraten. Indes wurden in der Region Riwne nach Angaben des Leiters der Regionalverwaltung, Witalij Kowal, "nur wenige Privathaushalte beschädigt".
Unterdessen teilte der Moskauer Bürgermeister Sergej Sobjanin am Sonntag mit, die russische Luftverteidigung habe eine Drohne in der Nähe der russischen Hauptstadt zerstört. "Heute gegen 11.00 Uhr (Ortszeit) versuchte eine Drohne, den Durchbruch in Richtung Moskau zu schaffen. Sie wurde beim Anflug durch Luftverteidigungskräfte zerstört", schrieb Sobjanin im Onlinedienst Telegram.
Moskau liegt rund 500 Kilometer von der Grenze Russlands zur Ukraine entfernt. Das Stadtgebiet und das Umland der russischen Hauptstadt waren seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs zunächst nur selten ins Visier geraten. Zuletzt aber gab es mehrere Drohnenangriffe auf Moskau, für die russische Behörden die Ukraine verantwortlich machten.
Das russische Verteidigungsministerium erklärte am Samstag zudem, es habe eine US-Militärdrohne am Eindringen in seinen Luftraum gehindert. Die US-Aufklärungsdrohne vom Typ Reaper MQ-9A habe sich demnach über dem Schwarzen Meer auf Russland zubewegt.
Am Wochenende hatte eine ukrainische Marinedrohne in der Straße von Kertsch am Schwarzen Meer in der Nacht zu Samstag einen russischen Tanker getroffen. Der Tanker "SIG" transportierte nach ukrainischen Angaben "Treibstoff für russische Truppen".
Der "erfolgreiche Spezialeinsatz" gegen den russischen Tanker sei gemeinsam mit der Marine in ukrainischen Hoheitsgewässern erfolgt, hieß es aus ukrainischen Sicherheitskreisen gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. Dabei seien eine Marinedrohne und Sprengstoff zum Einsatz gekommen.
aka/cp
© Agence France-Presse