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„Wir müssen alle Kinder im Blick haben“

Lehrerabordnungen dienen der Bildungsgerechtigkeit

Münsterland/Emscher-Lippe-Region. Die Lehrerabordnungen, die zum gerade gestarteten Schuljahr erfolgt sind, waren bereits im Vorfeld ein viel beachtetes und viel diskutiertes Thema. Der Grund für die vorwiegend aus den Münsterlandkreisen in das nördliche Ruhrgebiet abgeordneten Lehrkräfte liegt auf der Hand: Es geht um Bildungsgerechtigkeit. Naturgemäß hält sich die Begeisterung über solche Maßnahmen bei Schulen, die Lehrkräfte im Zuge von Abordnungen abgeben müssen, in Grenzen. Aber es gibt auch die andere Seite. Schulen und dort vor allem Kinder, die dringend oder sogar zwingend auf personelle Unterstützung dieser Art angewiesen sind. Wir haben mit vier Schulleitungen, die insgesamt fünf solcher Schulen in Gelsenkirchen, Bottrop und Dorsten leiten, gesprochen. Zwei Dinge einen diese Schulleitungen bei dem Gedanken an die erfolgten Abordnungen: Erleichterung und Dankbarkeit.  

Cornelia Franz ist Schulleiterin an der erst im vergangenen Schuljahr neu gegründeten Grundschule Ebersteinstraße in Gelsenkirchen-Schalke. Die Schule befindet sich derzeit im Aufbau. „Wir sind im Schuljahr 2022/2023 mit vier Eingangsklassen gestartet. In diesem Jahr kommen sechs weitere hinzu“, erzählt die Pädagogin. Zu dem multiprofessionellen Team an der Schule zählen im gerade angelaufenen Schuljahr insgesamt 16 Lehrkräfte, von denen einige in Teilzeit arbeiten. „Ohne die jetzt erfolgten Abordnungen wäre es uns unmöglich gewesen, die Unterrichtsversorgung zu gewährleisten“, stellt Cornelia Franz die zwingende Notwendigkeit der Abordnungen für die Grundschule Ebersteinstraße heraus. Dies wird schon anhand zweier simpler Zahlen mehr als deutlich: „Von unseren insgesamt zehn Lerngruppenleitungen sind acht Stellen mit abgeordneten Lehrkräften besetzt. Es wäre nicht ohne gegangen.“  

Von der Wirksamkeit und Notwendigkeit der Abordnungen nicht minder überzeugt ist ein paar Straßen weiter Margit Hirtzbruch-Dieker, die zurzeit neben der Friedrich-Grillo-Grundschule im Stadtteil Schalke auch die Wiehagen-Schule in Gelsenkirchen-Neustadt leitet. An der Friedrich-Grillo-Grundschule habe man durch zwei abgeordnete Lehrkräfte vermeiden können, dass sich Klassenleitungen um mehrere Klassen gleichzeitig hätten kümmern müssen, berichtet Hirtzbruch-Dieker. „An der Wiehagen-Schule hätte sich das Problem allerdings noch deutlich gravierender ausgewirkt. Hier hätten ohne die sieben Abordnungen, von denen drei Lehrkräfte aus dem Münsterland und vier aus dem Norden von Gelsenkirchen kommen, sechs von 13 Klassen ohne Leitung dagestanden“, erzählt die Schulleiterin. „Jeder kann sich vorstellen, was das für eine Schule und vor allem für die Kinder dort bedeuten würden, wenn die Hälfte aller Klassen komplett ohne Leitung gewesen wäre“, ergänzt sie. „Ich kann Ihnen nicht sagen, wie dankbar ich den abgeordneten Lehrkräften für deren Bereitschaft bin, dort auszuhelfen, wo es ohne Hilfe nicht geht. Aber auch den handelnden Personen vor Ort, die diese Unterstützung möglich gemacht haben, möchte ich ausdrücklich danken.“  

Bei der Schillerschule in Bottrop handelt es sich um einen Grundschulverbund mit zwei Standorten. Die Schule besuchen momentan 340 Schülerinnen und Schüler in 15 verschiedenen Lerngruppen. Detlef Baier ist seit bereits 20 Jahren Schulleiter dieser Grundschule und freut sich über eine Lehrkraft, die zum Schuljahr 2023/2024 an seine Schule abgeordnet wurde. Er sagt: „An unserer Schule ist es wie an vielen Schulen hier im Ruhrgebiet. Wir haben eine vielfältige, bunte Schülerschaft, zu der auch viele Schülerinnen und Schüler mit Fluchthintergrund zählen, die aus nicht deutschsprachigen Familien kommen. Hinzu kommt, dass wir in allen Klassen inklusiven Unterricht geben, sodass wir einfach insgesamt einen hohen personellen Aufwand betreiben müssen. Durch die Abordnung können wir auch im kommenden Schuljahr unsere Klassenleitungen besetzen. Dafür sind wir sehr dankbar.“ Er sei tief davon überzeugt, „dass auch Kinder aus sozial schwächeren Familien es absolut verdient haben, in dem System Schule durch gute Lernfortschritte eine Perspektive für sich selbst aufzubauen.“ Dafür brauche es jede verfügbare Lehrkraft, um die Mindeststandards auch für diese Kinder zu erreichen, so der 56-jährige abschließend.  

Auch Dorothea Osemann, die die Wittenbrinkschule in Dorsten-Wulfen leitet, kennt sich mit der Thematik Abordnungen bestens aus. „Auch wir waren schon oft in der Situation, dass wir Lehrkräfte abgeben mussten. Ich weiß, dass das nie schön ist und immer eine gewisse Unruhe in das System der abgebenden Schule bringt.“ Diesmal sei ihre Schule Nutznießer und könne durch eine Abordnung aus dem Münsterland als Klassenleitung einer integrativen Klasse die Unterrichtsversorgung stabil halten. Sie habe großes Verständnis für Schulen, die Lehrkräfte für einen begrenzten Zeitraum abgeben müssen. „Aber“, so die Dorstener Schulleiterin weiter, „es ist halt an vielen Stellen auch absolut notwendig.“  

In einer Sache sind sich die Schulleitungen unisono einig: „Wir müssen grundsätzlich alle Kinder im Blick haben.“ Die Gelsenkirchener Schulleiterin Margit Hirtzbruch-Dieker bringt es abschließend noch einmal so auf den Punkt: „Die Kinder werden in so unterschiedliche Begebenheiten hinein geboren. Da sollten wir wenigstens im Bereich der Bildung mit allen möglichen Mitteln für Gerechtigkeit sorgen.“   


Bildzeile: Die Wittenbrinkschule in Dorsten-Wulfen.

Text- und Bildquelle: Bezirksregierung Münster