Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat die Menschen in Deutschland für ihren Einfallsreichtum und die Solidarität in der Corona-Krise gelobt. "Diese Krise weckt unsere tiefsten Ängste", sagte er in einer am Donnerstag veröffentlichten Videobotschaft. "Aber sie ruft auch das Beste in uns hervor. Der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, warnte vor schweren Schäden für die Grundrechte, sollten die Restriktionen in der Corona-Krise lange andauern.
Als positives Beispiel führte Steinmeier unter anderem einen Medizinstudenten an, der mit einer Online-Plattform andere angehende Mediziner an Kliniken und Praxen vermittelt. Auch erwähnte er eine Krankenhausangestellte, die gemeinsam mit ihren Kindern daheim Schutzmasken für die Klinik näht. Diese Menschen machten Mut, lobte Steinmeier.
"Wir sind vielleicht zur Isolation verdammt – aber nicht zur Untätigkeit", betonte der Bundespräsident. Als Beispiel nannte er den Einkauf für betagte Nachbarn, Gute-Nacht-Geschichte für die Enkelkinder übers Telefon oder Post für Menschen im Pflegeheim.
"Wir können auch unseren Lieblingsläden, die derzeit geschlossen bleiben müssen, Gutscheine abkaufen oder in unseren Lieblingsrestaurants Essen zum Mitnehmen bestellen", regte Steinmeier an.
Zugleich räumte Steinmeier ein, dass die Situation nicht leicht sei. "Es sind bedrückende Tage, die wir gemeinsam durchleben." Er betonte auch: "Wenn wir das miteinander schaffen, dann zerfällt unsere Gesellschaft nicht in dieser Krise, sondern im Gegenteil: Dann wächst sie enger zusammen."
Papier bezeichnete die verhängten Restriktionen in der "Süddeutschen Zeitung" vom Donnerstag zwar als rechtmäßig. Doch sehe er die Gefahr einer "Erosion des Rechtsstaats", sollten sich die "extremen Eingriffe in die Freiheit aller" noch lange hinziehen.
Auf Dauer lasse sich eine solche flächendeckende Beschränkung nicht hinnehmen, mahnte Papier. Politik und Verwaltung müssten deshalb immer wieder prüfen, ob weniger einschneidende Maßnahmen möglich seien. Der Professor für Staatsrecht warnte auch davor, auf überfüllten Intensivstationen jüngere und gesündere Patienten zu bevorzugen: "Leben darf nicht gegen Leben abgewogen werden."
FDP-Chef Christian Lindner rief dazu auf, die verhängten Auflagen für die Bevölkerung nicht länger aufrechtzuerhalten als nötig. Es müsse über die Maßnahmen gesprochen werden, "die wir für eine schrittweise Öffnung brauchen", sagte er dem Berliner "Tagesspiegel" vom Donnerstag. "Bis zur Verfügbarkeit eines Impfstoffs werden wir nicht warten können."
Es müsse die Frage gestellt werden, ob wirklich alles unternommen werde, um das Leben so schnell wie möglich zu normalisieren, sagte Lindner weiter. "Der aktuelle Zustand darf keine Minute länger dauern als nötig." Dies sei keine Frage der Wirtschaft, sondern der bürgerlichen Freiheitsrechte des Grundgesetzes.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte sich am Mittwoch mit den Ministerpräsidenten der Länder darauf verständigt, die verhängten Ausgangsbeschränkungen und andere Maßnahmen bis mindestens zum 19. April zu verlängern. Am Dienstag nach Ostern soll die Lage neu bewertet werden.
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