Die Bundesregierung will den Ausbau von Solaranlagen auf Dächern und Gebäuden beschleunigen und dabei bürokratische Hürden deutlich abbauen.
Insbesondere die Installation sogenannter Balkonkraftwerke soll dadurch erleichtert werden: Dazu soll das Kabinett am Mittwoch das sogenannte Solarpaket I beschließen, wie am Dienstag aus Kreisen des Bundeswirtschaftsministeriums verlautete. Die Solarwirtschaft zeigte sich erfreut, Kritik kam vom Bauernverband.
Der Entwurf sieht vor, dass Balkon-PV-Anlagen möglichst unkompliziert in Betrieb genommen werden können. Eine vorherige Anmeldung beim Netzbetreiber könnte entfallen, die Anmeldung im Marktstammregister soll auf wenige Angaben beschränkt werden. Zudem sollen nach den Plänen rückwärtsdrehende Stromzähler geduldet werden, bis Zweirichtungszähler eingebaut werden. Nutzer von Balkonkraftwerken würden somit für jede eingespeiste Kilowattstunde den üblichen Preis sparen.
Auch die Nutzung von selbst erzeugtem Solarstrom in Mehrfamilienhäusern soll den Plänen nach vereinfacht werden. Außerdem sollen große Anlagen mit hohem Eigenverbrauch von den Gesetzesänderungen des Solarpakets profitieren: Der Vorschlag sieht vor, dass Anlagen mit einer installierten Leistung von 100 Kilowatt ihre Überschussmengen ohne Vergütung, aber auch ohne Kosten, an den Netzbetreiber weitergeben können. Bisher sind Betreiber solcher Anlagen zur Direktvermarktung verpflichtet.
Außerdem sollen mehr Freiflächen als Solarparks genutzt werden. Dazu sollen auch benachteiligte Gebiete der Landwirtschaft grundsätzlich für die Förderung von PV-Anlagen geöffnet werden. Der Zubau von Photovoltaik auf landwirtschaftlich genutzten Flächen soll dabei auf 80 Gigawatt bis 2030 begrenzt werden. Die Bundesländer können dem Ausbau zudem einen Riegel vorschieben, wenn bereits ein bestimmter Anteil durch PV-Anlagen genutzt wird.
Geplant ist zusätzlich eine sogenannte Duldungspflicht. Grundstückseigentümer oder forst- und landwirtschaftliche Pächter müssen die Betreiber einer Solaranlage demnach auf ihr Grundstück lassen, um Anschlussleitungen zu verlegen oder zu warten.
Der Deutsche Bauernverband hält das indes für "verfassungsrechtlich fragwürdig". Das käme einer "entschädigungslosen Enteignung" gleich, argumentierte er nach Bekanntwerden der Pläne.
Der Bauernverband warnte vor diesem Hintergrund vor der Gefahr eines Akzeptanzverlusts im ländlichen Raum für Erneuerbare Energien. "Zwang hat noch nie die Akzeptanz erhöht, deshalb setzen wir weiter auf private Verhandlungen, die in der Vergangenheit immer gut funktioniert haben", hieß es. Bisher sei noch kein Projekt an dieser Frage gescheitert.
Für das Solarpaket wurde erstmals auch der sogenannte "Praxis-Check" angewandt, ein neues Instrument, um den Abbau von Bürokratie voranzutreiben. "In Deutschland ist über die Jahrzehnte ein Dschungel von Bürokratie entstanden, der nur noch schwer zu durchdringen ist", erklärte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Dienstag dazu. Weniger Bürokratie könne helfen, dringend benötigte Investitionen "zu entfesseln". Beim Solarpaket stießen die Beteiligten auf insgesamt 50 Bürokratie-Hindernisse, die jetzt abgebaut werden sollen.
Das Solarpaket enthalte ein ganzes Bündel an Maßnahmen zum Abbau von Marktbarrieren und werde den Ausbau der Solartechnik an vielen Stellen vereinfachen, zeigte sich der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) überzeugt. "Das ist ein erfreulich großer Schritt ins Solarzeitalter, der seit Jahren sehnsüchtig erwartet wurde", erklärte BSW-Hauptgeschäftsführer Carsten Körnig. Nachbesserungsbedarf sieht der BSW derweil noch beim Zubau auf Gewerbebauten. Dieser müsse stärker beschleunigt werden.
Die Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP will den Anteil der erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch bis 2030 auf 80 Prozent steigern. Bei Photovoltaik-Anlagen betrug der Zubau im vergangenen Jahr 7,5 Gigawatt. Bereits bis Juli dieses Jahres kam erneut die gleiche Menge hinzu. Die Regierung erwartet einen Zubau im zweistelligen Bereich.
mb/hcy Mario BÜSCHER / © Agence France-Presse
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