Nach der Entscheidung zwischen Layer Cake oder Revolver schlug
Ritchie also den Weg des großes Geldes ein. Gerade weil sein ganz eigener Film
so floppte und sich dessen unverständliche Prämisse als richtiger denn je
entpuppte: man ist sich selbst der größte Feind. Daher ist nicht Vaughn
Ritchies Konkurrent, sondern er selbst. Nach Snatch wurde seine Karriere
wahrlich davon gespült - Swept Away. Die coolen Gangsterfilme, die
Remakes und die Clips der Herrenmode stehen nämlich schlussendlich ebenso wenig
in Konkurrenz um Ritchies Prioritäten. Ganz im Gegenteil: Ritchie dreht seit
ungefähr 20 Jahren den gleichen Film.
Drogendealer, eine Frau, die auch was mit Drogen zu tun hat, Gras,
Schulden, ein Boxring, Schweine, die bösen Russen, Fußball, Spione, Spione, die
Spionen nachspionieren, Plot twists, ein Erzähler, ein Narrativ
was irgendwann in der Gegenwart ankommt und sich dann um 180 Grad ändert...
Die Liste lässt sich noch fortführen, aber ich will Sie natürlich nicht langweilen. Die Ritchie Formel gilt nicht so sehr für Remakes, umso mehr aber für seine Eigenproduktionen. Selbst Layer Cake fällt jedoch in dieses Muster, auch wenn die bösen hier die Serben sind. Auf eine gewisse Art remaked Ritchie seine Filme halt selbst.
So kristallisiert sich diese Formel ebenso für The Gentlemen (2019) heraus. Daher muss ich auf dem Film gar nicht inhaltlich eingehen. Nur drei Sachen seien erwähnt.
Erstens ist die Rolle des Juden problematisch besetzt. Er ist reich und wird den Protagonisten verraten. Der Protagonist, Matthew McConaughey, ist ein Amerikaner in England, aber Ritchie positioniert sich deutlich auf die Seite der angelsächsischen Kultur, die von dem Fremden von Innen, dem Juden (und eigentlich ja auch vom Amerikaner) und von außen, dem 'Chinamann' penetriert wird. Dieses Bild wird mit der Vergewaltigung der Frau des Protagonisten beinahe sogar mehr als nur eine Metapher. Es ist ein Versprechen. Verhindern kann das Unheil nur die heimische Kultur und durch Zufall der ebenso fremde Russe. Typisch Ritchie finden wir problematische Darstellung der Juden als Juweliere natürlich auch in Snatch und Rock'n'Rolla warnt uns vor russischen Oligarchen, die London aufkaufen.
Zweitens wird dieser binäre Kampf von Gut und Böse in der bösen Drogenwelt auf Gras und Kokain ausgetragen. Gras ist gut und Heroin ist schlecht. Gras dealt der Amerikaner, Heroin der 'Chinamann'. Ritchie lässt seinen Protagonisten sogar sagen, wie es um die Gut- beziehungsweise Bösartigkeit der Drogen aussieht. Der Chinese importiert also das böse Zeug. Was man auch immer von dieser Haltung halten mag, sie ist im Hinblick auf die Britisch-Chinesische Geschichte ein schlechter Scherz.
Diese Zeichnung von Jean Grandville aus dem Charivari
(1840) trägt die Unterschrift: “Ihr müsst dies Gift sofort kaufen”, sagt der
Engländer,” “wir wollen, dass ihr euch vollkommen vergiftet, damit wir genug
Tee haben, um unsere Beefsteaks zu verdauen.”
In der Mitte des 19. Jahrhundert führte England mit China die sogenannten Opium Kriege. Hier haben britische Händler Opium aus Indien in China verkauft - und große Teile der Bevölkerung abhängig gemacht. Andersherum wird also der Schuh draus. Ritchies Xenophobie nimmt also noch groteskere Züge an.
Drittens bettet Ritchie auch diesen Film in mehrere Narrative ein. Eines davon ist ein Drehbuch was der Reporter, Hugh Grant, gen Ende des Films an den Mann bringen will. Als wäre die Intertextualität seines Film nicht schon durch seine bloße Existenz gegeben, plaziert Ritchie im Hintergrund des Filmstudios ein Plakat seines U.N.C.L.E.s, wo ja Grant höchstselbst mitspielt. Diese Tatsache ist nicht so verwerflich wie Ritchies mangelnde Kreativität auf der Plotebene, aber es fällt dem geschulten Ritchieaner auf, dass die meisten Ritchie Filme immer auch darin enden, dass im Outro eine Fortsetzung angekündigt wird. Diese hat außer Sherlock Holmes bis jetzt noch kein Ritchie Film bekommen. Aber, irgendwie ja schon. Nur mit anderen Schauspielerinnen, anderen Namen und anderen trendigen Klamotten.