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EZB beschließt zehnte Zinsanhebung in Folge

Spitzenrefinanzierungssatz zur kurzfristigen Beschaffung von Geld steigt auf 4,75 Prozent.

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat ihre Leitzinsen ein weiteres und vielleicht erst einmal letztes Mal um 0,25 Prozentpunkte erhöht. Es sei noch "zu lange mit einer zu hohen" Inflation zu rechnen, begründete dies EZB-Präsidentin Christine Lagarde am Donnerstag in Frankfurt. Die Entscheidung war innerhalb des zuständigen EZB-Rats demnach jedoch nicht unumstritten. Experten warnten vor einem Abwürgen der Konjunktur.

Der für Sparer wichtige Einlagenzins steigt nun auf den historischen Höchststand von 4,0 Prozent. Der Satz, zu dem Geschäftsbanken sich Geld bei der EZB leihen können, steigt auf 4,5 Prozent und der sogenannte Spitzenrefinanzierungssatz zur kurzfristigen Beschaffung von Geld auf 4,75 Prozent.

Lagarde zufolge gab es eine "solide Mehrheit" der EZB-Räte für diese zehnte Zinsanhebung in Folge. Einige Zentralbanker seien jedoch auch dafür eingetreten, eine Pause bei den Erhöhungen einzulegen und abzuwarten, wie sich die vorherigen Anhebungen auswirken.

Die Zentralbank ließ auch durchblicken, dass es sich voraussichtlich um die zunächst letzte Anhebung handelt. Die Leitzinsen hätten ein Niveau erreicht, "das - wenn es lange genug aufrechterhalten wird - einen erheblichen Beitrag zu einer zeitnahen Rückkehr der Inflation auf den Zielwert leisten wird", erklärte sie.

Weitere Anhebungen schloss Lagarde dennoch nicht kategorisch aus. "Wir können noch nicht sagen, dass wir den höchsten Punkt erreicht haben", sagte sie und verwies auf den "datengestützten" Ansatz ihres Instituts.

Die EZB strebt eine Inflationsrate von zwei Prozent an. Im August lag diese in der Eurozone bei 5,3 Prozent. Für das gesamte Jahr 2023 setzte die Zentralbank ihre Inflationsprognose für die Eurozone auf 5,6 Prozent herauf - das "spiegelt in erster Linie ein höheres Niveau der Energiepreise wider". 2024 dürfte die Teuerung 3,2 Prozent und 2025 dann 2,1 Prozent betragen.

Ihre Wachstumsprognose korrigierte die EZB nach unten: Sie erwartet für 2023 einen Anstieg um 0,7 Prozent - im Juni war sie noch von 0,9 Prozent ausgegangen. In den kommenden beiden Jahren geht sie von 1,0 Prozent und 1,5 Prozent aus, auch das ist jeweils eine Abwärtskorrektur. Grund dafür seien die "zunehmenden Auswirkungen dieser geldpolitischen Straffung auf die Binnennachfrage und die Abschwächung des internationalen Handels".

Aus Wirtschaft und Wissenschaft hatten sich zuletzt die Rufe danach gemehrt, eine Pause bei den Maßnahmen gegen die hohe Inflation einzulegen, weil die Wirkung der Zinserhöhungen zeitversetzt durchschlägt. Höhere Zinsen sind ein geldpolitisches Mittel gegen die Inflation, bremsen aber auch das Wirtschaftswachstum.

Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) reagierte folglich kritisch. "Für die Unternehmen in Deutschland wird die Durststrecke noch länger", erklärte Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben. Denn dadurch verschlechterten sich die Finanzierungsbedingungen für die Unternehmen weiter, "und das in einer Situation, in der Aufträge wegfallen und die Konjunktur droht abzudriften".

Helmut Schleweis, Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV), hält die Entscheidung der EZB angesichts der nur langsam zurückgehenden Inflation zwar für "verständlich". Die EZB müsse nun aber "vollen Effekt ihrer bisherigen Schritte" abwarten.

ING-Analyst Carsten Brzeski erklärte, der Zentralbank sei es vor allem um Glaubwürdigkeit gegangen. "Die EZB hat einen Job und das ist die Wahrung der Preisstabilität." Die Angst, die Inflation nicht unter Kontrolle zu bekommen und das Risiko, zu früh aus den Erhöhungen auszusteigen, sei größer gewesen als das steigende Rezessionsrisiko in der Eurozone.

Der Chef des Münchener Ifo-Instituts, Clemens Füst, sprach von einer für Deutschland schmerzhaften, aber "folgerichtigen" Entscheidung. Die EZB mache "Geldpolitik nicht nur für Deutschland, sondern für den Euroraum insgesamt".

Die europäischen Grünen kritisierten die erneute Leitzinsanhebung. Sie verwiesen auf die dadurch drohende tiefe Rezession der deutschen Wirtschaft.

pe/bk


© Agence France-Presse