Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat vor den Vereinten Nationen UN vor "Schein-Lösungen" bei der Suche nach Frieden in der Ukraine gewarnt. "Frieden ohne Freiheit heißt Unterdrückung", sagte Scholz am Dienstagabend (Ortszeit) bei der UN-Generaldebatte in New York. "Frieden ohne Gerechtigkeit nennt man Diktat. Das muss nun endlich auch Moskau verstehen."
Scholz sagte, die Ukrainerinnen und Ukrainer würden "um ihr Leben und ihre Freiheit kämpfen, um die Unabhängigkeit und die territoriale Integrität ihres Landes, um die Wahrung genau der Prinzipien, denen wir alle uns in der UN-Charta verpflichtet haben". Der russische Angriffskrieg stürze aber nicht nur die Ukraine in großes Leid, fügte Scholz hinzu. "Unter Inflation, wachsender Verschuldung, Düngemittelknappheit, Hunger und steigender Armut leiden Bürgerinnen und Bürger weltweit."
"Weil dieser Krieg unerträgliche Folgen rund um den Globus hat, ist es gut und richtig, dass sich die Welt auch an der Suche nach Frieden beteiligt", sagte Scholz weiter. "Und zugleich müssen wir uns vor Schein-Lösungen hüten, die 'Frieden' lediglich im Namen tragen." Russland sei für diesen Krieg verantwortlich. "Und es ist Russlands Präsident (Wladimir Putin), der ihn mit einem einzigen Befehl jederzeit beenden kann."
Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine überschattet wie bereits im vergangenen Jahr die Generaldebatte der UN-Vollversammlung, bei der auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj vor Ort eine Rede hielt. Derzeit zeichnet sich inmitten anhaltend heftiger Gefechte zwischen russischen und ukrainischen Truppen keine diplomatische Lösung ab.
Westliche Staaten wie die USA und Deutschland unterstützen die Ukraine seit Kriegsbeginn mit massiven Militärhilfen. Allerdings wird an der milliardenschweren Unterstützung für Kiew zunehmend Kritik aus den Staaten des globalen Südens laut. Dort wird befürchtet, dass andere Probleme wie der Klimawandel, Hunger und Armut in der Welt vernachlässigt werden könnten.
Der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva etwa bemängelte am Dienstag in seiner UN-Rede, es sei "viel in Waffen und wenig in Entwicklung investiert worden". Der südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa kritisierte bei dem diplomatischen Spitzentreffen, "dass wir so viel Geld für Krieg ausgeben können, aber nicht Handlungen unterstützen können, die für die grundlegendsten Bedürfnisse von Milliarden von Menschen nötig sind".
Westliche Staaten haben auf die Befürchtungen des globalen Südens reagiert - und Themen wie Klimaschutz und Entwicklungspolitik einen prominenten Platz bei der UN-Generaldebatte gegeben.
Scholz ging in seiner Rede auf beide Themen ein. Der menschengemachte Klimawandel sei die größte globale Herausforderung unserer Zeit, sagte Scholz. Er betonte: "Deutschland erfüllt auch seine Zusagen zur internationalen Klimafinanzierung. Von zwei Milliarden Euro im Jahr 2014 über vier Milliarden Euro im Jahr 2020 haben wir unseren Beitrag im letzten Jahr auf sechs Milliarden Euro verdreifacht. Damit halten wir Wort."
"Genauso ambitioniert" werde Deutschland bei der Erreichung der Ziele für eine nachhaltige Entwicklung weltweit sein, versprach Scholz.
In seiner Rede forderte Scholz erneut auch Reformen bei der UNO, insbesondere beim UN-Sicherheitsrat. Die Vereinten Nationen müssten "die Realität einer multipolaren Welt abbilden". Dies sei aber bislang nicht der Fall, sagte Scholz. "Nirgendwo ist das so augenfällig wie bei der Zusammensetzung des Sicherheitsrats."
An der Struktur und Zusammensetzung des mächtigsten UN-Gremiums mit 15 Mitgliedern, in dem die fünf ständigen Mitglieder China, Frankreich, Großbritannien, Russland und die USA einen ständigen Sitz und damit ein Veto-Recht haben, gibt es schon lange Kritik. So ist der Sicherheitsrat im Ukraine-Krieg blockiert, weil Russland jede Resolution verhindern kann.
Der Sicherheitsrat wird sich am Mittwoch in einer offenen Sitzung mit dem Ukraine-Krieg befassen. Dabei werden auch Scholz und der ukrainische Staatschef Wolodymyr Selenskyj Reden halten. Außerdem findet am Rande der UN-Vollversammlung ein Klimagipfel auf Initiative von UN-Generalsekretär António Guterres statt.
fs/kbh Fabian Erik SCHLÜTER / © Agence France-Presse
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