Im Zusammenhang mit der Gruppe mutmaßlicher Reichsbürger, die Sprengstoffanschläge auf die Stromversorgung und die Entführung von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) geplant haben soll, sind am Dienstag weitere Personen festgenommen worden.
Generalstaatsanwaltschaften in Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Thüringen, Hessen, Bayern und Baden-Württemberg berichteten über gleichzeitige Razzien. In Koblenz stehen bereits seit Mai fünf mutmaßliche Mitglieder der Gruppe vor dem rheinland-pfälzischen Oberlandesgericht.
Am Dienstag wurden den Angaben zufolge fünf weitere Menschen festgenommen, die Mitglieder oder Unterstützer der terroristischen Vereinigung gewesen sein sollen. In Rheinland-Pfalz wurden demnach ein 52 Jahre alter Mann und eine 32-Jährige Frau festgenommen. Der Mann steht unter Verdacht, Hochspannungsleitungen ausgekundschaftet zu haben.
Die Frau soll Chatgruppen betrieben haben, in denen weitere Unterstützer angeworben wurden, und ein Dokument mit Anleitungen zur Herstellung von Sprengstoff erstellt haben. Die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz und das Landeskriminalamt (LKA) Rheinland-Pfalz ermitteln zudem gegen eine 53-Jährige, die von den Plänen gewusst, sie aber nicht angezeigt haben soll.
In Nordrhein-Westfalen wurde nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf ein 49-Jähriger festgenommen, dem eine "regionale Führungsrolle" in der Gruppe zugedacht gewesen sei - entweder bei den mutmaßlich geplanten Anschlägen auf die Energieversorgung oder bei einer womöglich später geplanten konstituierenden Sitzung einer neuen Regierung.
Wie die Generalstaatsanwaltschaft in Frankfurt am Main und das hessische LKA mitteilten, wurde in Hessen ein 61-Jähriger festgenommen. Er soll an Treffen der Gruppe teilgenommen und sich dazu bereiterklärt haben, an der mutmaßlich geplanten Entführung Lauterbachs mitzuarbeiten. Außerdem soll er seine Garage als Zwischenlager für Waffen angeboten haben.
Zudem sei er als Teil einer Delegation vorgesehen gewesen, die nach dem gewaltsamen Umsturz mit einem Schiff über die Ostsee in russische Küstengewässer habe fahren sollen. Die Vorstellung der Gruppe sei gewesen, mit staatlichen russischen Stellen über einen "Schulterschluss" zu verhandeln und sich militärische Ausrüstung zu beschaffen. Bei der Untersuchung der Wohnung des 61-Jährigen seien unter anderem eine Armbrust und eine Luftdruckwaffe beschlagnahmt worden.
Für Bayern teilte die Münchner Generalstaatsanwaltschaft mit, dass dort ein Beschuldigter festgenommen worden sei. Er soll ebenfalls seine Bereitschaft bekundet haben, an einer Entführung Lauterbachs teilzunehmen und außerdem dazu bereit gewesen sein, in Kroatien Schusswaffen zu besorgen.
In Thüringen wurde die Wohnung eines mutmaßlichen Unterstützers durchsucht. In Baden-Württemberg gab es zwei Durchsuchungen. Einer der dortigen Beschuldigten soll der Vereinigung einen Server zur Verfügung gestellt haben, um konspirative Kommunikation zu ermöglichen. Außerdem soll er sich laut der Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart an der Verwaltung einer geschlossenen Chatgruppe beteiligt haben.
Der zweite Mann soll in Chatgruppen seine Zustimmung zu den Umsturzplänen geäußert haben. Bei zwei Treffen soll er Gruppenmitglieder in ihren Plänen bestärkt haben, Umspannwerke zu sabotieren. Zudem habe er ihnen gezeigt, wie Funkgeräte zu bedienen sind.
Lauterbach erklärte nach Bekanntwerden der Razzien auf X (früher Twitter): "Ich danke den Ermittlern, denen ich wahrscheinlich mein Leben verdanke."
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) teilte mit: "Wir sehen hier einen grenzenlosen Hass auf Staat und Demokratie." Die Entführungspläne und gewaltsamen Umsturzfantasien seien "eine neue Qualität der Bedrohung, die angesichts der Waffenaffinität der militanten Reichsbürgerszene von den Sicherheitsbehörden sehr ernst genommen wird".
Der rheinland-pfälzische Innenminister Michael Ebling (SPD) erklärte: "Wir tolerieren nicht, dass Verfassungsfeinde ungehindert ihre Strukturen ausbauen und ihre undemokratischen Ansichten verbreiten, die sich gegen unsere grundlegenden demokratischen Werte richten."
Der Generalbundesanwalt wirft den in Koblenz Angeklagten die Gründung einer Terrororganisation und die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat vor. Ihr Plan soll es gewesen sein, mit Gewalt bürgerkriegsähnliche Zustände in Deutschland auszulösen, um die Demokratie zu beseitigen.
Nach Sprengstoffanschlägen auf die Stromversorgung mit wochenlangen Stromausfällen als Folge habe Lauterbach entführt werden sollen. Das dadurch entstehende Chaos habe die Gruppe nutzen wollen, um die Regierung abzusetzen und eine "Führungsperson" zu installieren. Den Tod von Menschen bei ihren Aktionen sollen die Angeklagten in Kauf genommen haben.
smb/cfm Sarah Maria BRECH / © Agence France-Presse