Nach der Drohung von Regierungschef Benjamin Netanjahu, die radikalislamische Hamas vollständig zu "zerstören", hat Israel am Donnerstag seine auf den Gazastreifen fortgesetzt. "Die Hamas, das ist der Islamische Staat, und wir werden sie zerquetschen und zerstören, wie die Welt den Islamischen Staat zerstört hat", sagte Netanjahu am Mittwochabend in seiner ersten Ansprache mit Mitgliedern des neuen sogenannten Kriegskabinetts.
Jedes "Mitglied der Hamas ist ein toter Mann", versicherte Netanjahu. Verteidigungsminister Joav Gallant pflichtete dem Regierungschef bei, Israel werde die radikalislamische Palästinenserorganisation "vom Angesicht der Erde wischen".
"Wir bereiten uns auf die nächsten Schritte vor. Wir haben eine große Anzahl von Zielen getroffen", sagte der israelische Armeesprecher Jonathan Cornicus am Donnerstagmorgen. In den vergangenen 24 Stunden seien "weniger Raketen" nach Israel abgefeuert worden, das sei "ein gutes Zeichen".
Die israelischen Angriffe trafen nach Angaben der Hamas Dutzende Gebäude, Fabriken, Moscheen und Geschäfte. "Es ist wie eine Apokalypse oder ein Erdbeben (...)", sagte ein Bewohner des Karama-Viertels in Gaza-Stadt, der seinen Namen nicht nennen wollte, inmitten von Ruinen. "Sie (die Israelis) sind gekommen, um zu zerstören, als ob diese Menschen es nicht verdient hätten, zu leben. Als ob sie keine Menschen wären".
Nach Angaben der UNO sind durch die Vergeltungsangriffe Israels im Gazastreifen mehr als 338.00 Menschen aus ihren Häusern vertrieben worden.
Nach dem folgenschwersten Angriff auf Israel seit seiner Staatsgründung vor 75 Jahren hatten sich Netanjahu und der Oppositionspolitiker Benny Gantz am Mittwoch auf eine gemeinsame "Notstandsregierung und auf ein Kriegskabinett" geeinigt, wie sie in einer gemeinsamen Erklärung mitteilten. Dem dreiköpfigen "Kriegskabinett" sollen Netanjahu, Gantz und Gallant angehören.
Die Hamas hatte am Samstag einen Großangriff auf Israel gestartet, woraufhin die israelische Armee zehntausende Soldaten mobilisierte und den Gazastreifen unter Dauerbeschuss nahm. Auf israelischer Seite töteten die Angreifer nach vorläufigen Angaben mehr als 1200 Menschen.
Das palästinensische Gesundheitsministerium gab in einer neuen Bilanz am Donnerstag die Zahl der Toten im Gazastreifen mit ebenfalls 1200 an - zuvor war von 1000 Toten die Rede gewesen. "Die Zahl der Märtyrer ist auf rund 1200 und die Zahl der Verwundeten auf rund 5600 gestiegen", sagte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums in Gaza. 150 Menschen wurden nach Angaben der israelischen Armee von den Hamas-Kämpfern entführt und in den Gazastreifen verschleppt.
Am Mittwochabend hatte hat die Hamas die Freilassung einer israelischen Geisel und ihrer beiden Kinder verkündet. Ein im palästinensischen Fernsehsender Al-Aksa ausgestrahltes Video zeigte, wie sich eine Frau mit zwei Kindern und drei bewaffneten Hamas-Kämpfern von einer mit Stacheldraht eingezäunten Zone entfernt. Die Echtheit der Aufnahme konnte von AFP nicht bestätigt werden.
Israelische Medien wiesen die Darstellung der Hamas jedoch zurück und erklärten, die Frau und die beiden Kinder seien nie von Hamas-Kämpfern in den Gazastreifen verschleppt worden. Die Sender identifizierten die Frau als eine Bewohnerin des Kibbuz Holit, die in mehreren Interviews in dieser Woche erzählt hatte, dass sie zusammen mit zwei Kindern ihres Nachbarn von Hamas-Kämpfern gewaltsam in ein Grenzgebiet zwischen Israel und dem Gazastreifen gebracht worden war - und dass sie die Kämpfer später wieder gehen ließen.
Indes hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan nach Angaben aus Regierungskreisen Verhandlungen mit der Hamas über die Freilassung von Geiseln aus Israel begonnen. "Sie verhandeln, um die Freilassung von Geiseln zu erreichen", sagte am Mittwoch eine Quelle aus Regierungskreisen der Nachrichtenagentur AFP und bestätigte damit Berichte des türkischen privaten Fernsehsenders Habertürk.
Am Donnerstag wird US-Außenminister Antony Blinken in Israel erwartet. Er will bei seinem Solidaritätsbesuch ranghohe Regierungsvertreter treffen und über weitere US-Militärhilfen sprechen.
kbh/bfi © Agence France-Presse