Die Bundestagsabgeordnete Sahra Wagenknecht hat den Bruch mit der Linkspartei vollzogen.
Gemeinsam mit neun weiteren Abgeordneten erklärte Wagenknecht am Montag den Austritt aus der Partei Die Linke, zu deren prominentesten Vertreterinnen sie seit vielen Jahren gehörte. Im Januar will sie eine neue Partei gründen, die bei der Europawahl 2024 antreten will. Die Partei- und Fraktionsspitze der Linken forderte die Ausgetretenen auf, ihre Bundestagsmandate zurückzugeben.
Mit der neuen Partei will Wagenknecht nach eigenen Worten all jenen Wählern ein Angebot machen, die sich von der Politik nicht mehr vertreten fühlen oder die "aus Wut und Verzweiflung rechts wählen". Ausdrücklich wolle sie auch Anhängern der AfD eine "seriöse Adresse" für die Stimmabgabe bieten, sagte Wagenknecht.
Als zentrale Punkte der geplanten Partei nannte Wagenknecht Sicherheit für sozial Schwache und Geringverdiener, eine Begrenzung der Migration und eine auf Vermeidung militärischer Konfrontation ausgerichtete Außenpolitik.
"So wie es derzeit läuft, darf es nicht weitergehen, denn sonst werden wir unser Land in zehn Jahren wahrscheinlich nicht wiedererkennen", sagte Wagenknecht. Mit ihrer bisherigen Partei könne sie ihre Vorstellungen wegen "sehr unterschiedlicher politischer Konzepte" nicht umsetzen, deswegen habe sie die Linke verlassen.
Zu Wagenknechts Gefolgsleuten, die ebenfalls ihren Parteiaustritt erklärten, zählen die bisherige Fraktionschefin Amira Mohamed Ali, der frühere Parteichef Klaus Ernst und die Außenexpertin Sevim Dagdelen. Die insgesamt zehn Abgeordneten - sie alle vertreten westdeutsche Wahlkreise im Bundestag - wollen zunächst weiter der Linksfraktion angehören, bis die neue Partei gegründet ist.
Die Spitzen von Partei und Fraktion reagierten verärgert auf die Austritte - und auf die Weigerung der Wagenknecht-Gruppe, ihre Bundestagsmandate zurückzugeben. Fraktionschef Dietmar Bartsch nannte das Verhalten "unverantwortlich und inakzeptabel" und kündigte an, "in großer Ruhe" über den Antrag der Wagenknecht-Gruppe auf Verbleib in der Fraktion zu entscheiden.
Die
drei direkt gewählten Linken-Abgeordneten Gesine Lötzsch, Sören
Pellmann und Gregor Gysi warfen den Wagenknecht-Leuten einen "höchst
unmoralischen 'Diebstahl'" vor, weil sie ihre mithilfe der Linken
gewonnenen Bundestagsmandate behalten wollen.
Parteichef Martin Schirdewan bezeichnete es als "echte Sauerei", dass die Wagenknecht-Gruppe durch ihren Austritt den Bestand der Linksfraktion gefährde - und damit auch die Jobs von mehr als 100 Fraktionsmitarbeitern. Sollte die Gruppe die Fraktion verlassen, verliert die Linke ihren Fraktionsstatus im Bundestag - und damit erhebliche finanzielle Zuwendungen insbesondere für die Beschäftigung von Mitarbeitern.
Wagenknecht ging bei der Vorstellung ihres Projekts auf klare Distanz zur Linkspartei. "Diese unkontrollierte Zuwanderung muss auf jeden Fall gestoppt werden, weil sie unser Land völlig überfordert", sagte sie. Zudem wolle sie "wegkommen von einem blinden, planlosen Öko-Aktivismus, der das Leben der Menschen zusätzlich verteuert, aber tatsächlich dem Klima überhaupt nicht nützt".
Eines ihrer Kernanliegen sei, den "Meinungskorridor" in Deutschland wieder zu erweitern, sagte Wagenknecht. Politische Debatten in Deutschland würden derzeit so geführt, "dass jeder, der von der dominanten Meinungsblase abweicht, ganz schnell diffamiert und stigmatisiert wird", sagte sie. Wagenknecht beklagte "Konformitätsdruck" in der öffentlichen Debatte.
Die neue Wagenknecht-Partei soll aus dem bereits gegründeten Verein BSW (Bündnis Sahra Wagenknecht) hervorgehen. Die offizielle Parteigründung sei für Januar anvisiert, sagte BSW-Vereinsgeschäftsführer Lukas Schön. In der ersten Jahreshälfte sollten dann die ersten Landesverbände gegründet werden. Der Verein BSW selbst werde nicht um Mitglieder werben - er wolle allerdings Geld für die geplante Partei sammeln, "denn seriöse Politik braucht Geld".
Wagenknecht sagte, die Partei könnte auch an den drei Landtagswahlen in Ostdeutschland im September kommenden Jahres teilnehmen, wenn die Aufbau der Landesverbände bis dahin fortgeschritten sei. Sie ließ offen, welche Rolle sie für sich selbst plane.
pw/mt Peter WUETHERICH / © Agence France-Presse