Die UN-Vollversammlung in New York hat mit großer Mehrheit eine "sofortige humanitäre Waffenruhe" im Gazastreifen gefordert. Bei einer Dringlichkeitssitzung am Freitag stimmten von den 193 Mitgliedstaaten der UNO 120 Staaten für die Resolution, 14 Staaten stimmten dagegen, 45 Staaten enthielten sich. Israel kritisierte den Text, der die Hamas mit keinem Wort erwähnt, als "infam". Die Hamas begrüßte die Resolution.
Der von Jordanien im Namen der Gruppe von 22 arabischen Ländern ausgearbeitete Text "fordert eine sofortige, dauerhafte und nachhaltige humanitäre Waffenruhe, die zu einer Einstellung der Feindseligkeiten führt". In der vorherigen Version war eine "sofortige Feuerpause" gefordert worden.
Die im Gazastreifen herrschende radikalislamische Hamas hatte am 7. Oktober einen beispiellosen Großangriff auf Israel gestartet. Dabei wurden nach israelischen Angaben etwa 1400 Menschen getötet und 229 Menschen als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt.
Als Reaktion riegelte Israel den Gazastreifen ab und startete massive Luftangriffe auf mutmaßliche Hamas-Ziele. Dabei wurden nach Angaben des von der Hamas geleiteten Gesundheitsministeriums inzwischen mehr als 7300 Menschen getötet. Diese Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen.
Im Zentrum der Resolution der UN-Vollversammlung steht die humanitäre Lage im Gazastreifen. Unter anderem wird die "sofortige" Bereitstellung von Wasser, Nahrungsmitteln, Treibstoff und Strom "in ausreichenden Mengen" sowie der "ungehinderte" Zugang für humanitäre Hilfe gefordert. Zudem werden "alle gegen palästinensische und israelische Zivilisten gerichteten Gewaltakte, einschließlich aller Terrorakte und wahlloser Angriffe" verurteilt.
Der Text äußert außerdem "Sorge angesichts der jüngsten Eskalation der Gewalt seit dem Angriff vom 7. Oktober" - ohne jedoch die Hamas namentlich zu erwähnen.
Israels UN-Botschafter Gilad Erdan prangerte diesen Mangel mit scharfen Worten an. "Der einzige Ort, an den diese Resolution gehört, ist der Mülleimer der Geschichte", sagte Erdan nach der Abstimmung. Israel werde weiterhin "alle Mittel" im Kampf gegen die Hamas einsetzen.
"Dies ist ein dunkler Tag für die UNO und für die Menschheit", sagte Erdan Der Tag werde "als Schande in die Geschichte eingehen" Die UNO habe gezeigt, dass sie "nicht mehr die geringste Legitimität oder Relevanz" besitze.
Die Hamas und die palästinensische Autonomiebehörde begrüßten die Resolution. "Wir fordern die sofortige Umsetzung (...), um die Einfuhr von Treibstoff und humanitärer Hilfe für die Zivilbevölkerung zu ermöglichen", hieß es in einer Erklärung der Hamas am Freitag.
Das Außenministerium der palästinensischen Autonomiebehörde erklärte, es geben nun eine "solide internationale Position", die Israels "irre Aggression" zurückweise, welche einen "neuen Höhepunkt der Brutalität" erreicht habe.
Bei der Abstimmung zeigte sich auch die unterschiedliche Haltung westlicher Länder zu Israels Vorgehen nach dem Hamas-Angriff im Gazastreifen: Während Frankreich für die Resolution stimmte, enthielten sich Deutschland, Italien und das Großbritannien der Stimme. Österreich und die USA votierten gegen den Text.
Gemeinsam mit seinen Partnern habe Deutschland "intensiv darauf hingearbeitet, zu einer ausgewogenen Nahost-Resolution zu kommen", erklärte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) laut einer Mitteilung des Auswärtigen Amts in Berlin nach der Abstimmung.
Wichtige Punkte wie "eine klare Verurteilung aller Terrorakte und zumindest ein Ruf nach Freilassung der Geiseln" seien zwar in dem Text enthalten. "Weil die Resolution den Hamas-Terror nicht klar beim Namen nennt, die Freilassung aller Geiseln nicht deutlich genug gefordert und das Selbstverteidigungsrecht Israels nicht bekräftigt, haben wir mit vielen unserer europäischen Partner entschieden, der Resolution am Ende nicht zuzustimmen", begründete die Ministerin die Stimmenthaltung Deutschlands.
Mehrere Mitgliedstaaten hatten die Sitzung am Donnerstag (Ortszeit) beantragt, nachdem der UN-Sicherheitsrat bei mehreren Versuchen gescheitert war, eine Resolution zur Eskalation des Nahost-Konflikts zu beschließen.
kbh © Agence France-Presse