Lesermeinung
Kontrollverlust in Deutschland
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Ein Prozent aller Deutschen ist unfassbar reich und zwar mit einem Vermögen von über 3000 Milliarden Euro. Jede einzelne Milliarde entspricht 1000 Millionen. Diese irre Summe bildet ein unfassbares Potential. Damit besitzen wenige Reiche über 35 Prozent des gesamten Vermögens in Deutschland.
Ohne dubiose Vorgänge ist das nicht möglich. Ein mega Fiasko sind nicht gezahlte Steuern durch Konzerne. Mit Tochterfirmen in Steueroasen zahlen sie kaum oder gar keine Gelder an den Fiskus. Die Steuervermeidung und die Steuerverbrechen wurden zum Geschäftsprinzip.
Ebenfalls ist ein Desaster ist, dass Reiche seit 1997 keine Vermögenssteuer mehr zahlen müssen. Aber trotz der gewaltigen Miseren jetzt lehnt unser Bundesfinanzminister die Vermögenssteuer weiter ab. Ständig berichten Medien über brennende Probleme, über gestrichene Stellen für Richter und Staatsanwälte, über Sanierungsstau bei Brücken, bei Straßen u. im Schienennetz, über marode Universitäten et cetera.
Und passend zur Finanzkrise mit den skizzierten Debakeln nahm die Zahl der Multimillionäre stetig zu. Was bei uns die Milliardäre angeht, so hat sich deren Zahl in den letzten 20 Jahren glatt verdreifacht auf nun 226. Siehe nun folgende Fragen und überlege dann kurz, welche du mit ja beantworten kannst.
Auf alles mit einem Nein geantwortet? Dann bist du keiner vom oberen ein Prozent. Dann machst du wohl keine krummen Geschäfte. Dann könntest du zu Recht meinen, du hättest ein besseres Leben verdient. Eine zuletzt große Empörung in den Medien betraf die Hamburger Reederei Hapag-Lloyd.
Im letzten Jahr machte sie ein Plus von 17 Milliarden und trotz dieses extremen Gewinns zahlte Hapag-Lloyd dem Staat nur 1,6 Prozent, dank einer skandalösen Sonderregelung. So kassierten die Aktionäre über 11 Milliarden und das Finanzamt bekam nur einen ärmlichen Rest. Unser Staat hat mittlerweile Finanzprobleme, die bis in den Himmel reichen.
Zum Ausgleich müssen viele Kosten reduziert werden, selbst wenn das der Gesellschaft richtig schadet. Die Zustände an Schulen sind oft so heikel geworden, dass ihr Personal beklemmend scheitert.
Laut dem Spiegel und anderen Quellen fehlen sage und schreibe über 40.000 Lehrkräfte. Welche Gründe erfährt man von den Medien? Unter anderem grobe Gewalt, enormer Vandalismus, üble Respektlosigkeit und extreme Belastungen durch Sonderaufgaben, die es früher nicht annähernd so gab.
Deshalb fallen massenhaft Lehrkräfte raus, entweder zeitweise durch nervliche Erkrankung oder komplett durch Absprung beziehungsweise durch Frührente. Was für ein Notstand. Davon stark betroffene Rektoren können den Schulbetrieb nur noch rudimentär führen, sodass auch dieses Amt immer öfter abschreckt.
Alleine in Nordrhein Westfalen sind rund 400 Schulen ohne Leitung und es fehlen über 800 Konrektoren. Hier ist der Karren so tief im Dreck, dass vor einem Jahr sogar der Posten als Schulminister nicht besetzt werden konnte, nicht mit einer freiwilligen Person aus dem Bildungsressort.
Zwei Katastrophen überschatten alles: Sowohl für die
enorme Migration ab 2015 und für
die extrem komplexe und schwierige Inklusion wurden zwar genügend Sonderkräfte
versprochen, aber in der Realität kaum abgeordnet. Wenn Ministerien von Schulen verlangen, dass
sie solche Megaprojekte stemmen, dann haben Lügen bezüglich der Zusagen üble
Folgen. Ich war selbst betroffen und gebe hier meinen Einblick.
Soll das heute der Lehrerberuf sein? Viele Lehrkräfte fordern längst Assistenten in den Klassen. Außerdem ist die ganze Arbeit mit den Sonderprogrammen, mit den Eltern, mit dem Jugendamt, mit der Polizei und so weiter alleine gar nicht zu schaffen. Und als Krönung des Problems: Die Inklusion für Autisten, für ADHS-Fälle, für geistig langsame et cetera ist so unmöglich.
Aus diesem Tollhaus ging ich im Juli raus, und zwar nicht alleine. Das ganze Ausmaß der Krise sah man in den Klassenbüchern. In den digitalen Registern waren unglaublich viele Rügen und Tadel. Eine Klasse von mir erreichte über 400 Einträge im Jahr. Bei der Menge aller Klassen führt das zum Kontrollverlust.
Auch unzählige Konferenzen mit den Eltern, mit
betroffenen Kollegen und mit der Schulleitung brachten keine echte Wende mehr. In
dieser Not sollte für tausende Euros eine besondere Task Force
helfen, und zwar mit Aktionen gegen Aggression und gegen Gewalt.
Diverse Klassen standen für Monate im Plan, damit wenigstens einige Probleme peu a peu verschwinden. Und dann passierte etwas Ungeheures.
Diese Task Force scheiterte in der zweiten Woche an den P r o v o k a t e u r e n. Ein Disput lief so sehr aus dem Ruder, sodass alles zum Abbruch kam. Erschreckend für das ganze Kollegium. Welche Schikanen erlebten wir noch?
Brände im WC, im Flur, im Mülleimer, im Müll-Container und einmal im Lehrerzimmer mit flammenden Büchern in der Mitte. Feuerlöscher wurden von den Wänden gerissen, durch die Gegend geworfen, in die Toilette gerammt und Flure mit Löschpulver vernebelt.
Außerdem knallten Schüler bei anderen Klassen die Türen oder warfen Dinge in Unterrichtsräume rein, zum Beispiel Flaschen oder auch mal einen Mülleimer. Diebstähle finden täglich statt und außerdem erschreckend häufig auch Einbrüche.
Solche Desaster machen nervlich krank und deshalb sandten meine Rektoren oft vor dem Unterricht Folgendes: Informationen der Schulleitung: Heute Morgen sind wieder viele Lehrkräfte krankgemeldet.
Deshalb sind Kurse zu streichen und betroffene Schüler zu befreien. Des Weiteren werden Vertretungspläne erstellt. Prüfen Sie gleich Ihre zusätzlichen Aufträge.
Der kolossale Ausfall von Unterricht verschärfte den Absturz unseres Bildungssystems. Laut einer IFO-Studie, also vom Institut für Information und Forschung, sanken deutsche Schüler bezüglich wichtiger Fähigkeiten auf Rang 30 ab, und zwar noch hinter Russland.
Somit muss man Folgendes feststellen: Unser Staat hat trotz des Pisa-Schocks im Jahr 2000 die Schulen weiter kaputtgespart. Was allerding für Lehrkräfte noch schlimmer geworden ist, sind die Ängste vor Chaos im Unterricht, vor Ausweglosigkeit bei Notlagen und so weiter.
Über 8.000 Lehrkräfte wurden aktuell zwangsversetzt, vor allem an Schulen in sogenannte Problem-Regionen, weil dort die Personaldecke kollabiert. Wer über Brennpunktschulen im Internet recherchiert, wird fassungslos sein, dass alleine in NRW ihre Zahl bei knapp 2.000 liegt. Das ist tatsächlich ein horrender Kontrollverlust.
Als eine Ursache für diese üble Entwicklung gilt, dass NRW im Schnitt nur einen Sozialarbeiter für 1.000 Schüler finanziert. Wenn also unsere Sparpolitik in Kauf nimmt, dass an Schulen prekäre Zustände herrschen, dann ist am politischen System etwas bösartig. Auch bei der Inklusion will die Regierung nicht wie nötig zahlen.
Ständig wird die Verantwortung ablehnt:
Die Kommunen verweisen auf das Land, das Land auf den Bund und der Bund wieder auf die Kommunen. Durch diese Schande ging schon die Basisarbeit massiv kaputt, zum Beispiel das Mitwirken sogenannter Schulbegleiter. Diese Schulbegleiter müssen Lehrkräfte und Sonderpädagogen unterstützen, indem sie Inklusionsschülern helfen, zum Beispiel beim An- oder Auskleiden, beim WC-Gang, bei den Unterlagen, bei Stress und so weiter.
Darum sind Schulbegleiter wichtige Säulen für Erfolge der Inklusion. Ohne sie geht es nicht. Aber sie kriegen oft keinen Lohn bezahlt:
Kein Lohn an Feiertagen, kein Lohn bei Krankheit des Kindes, kein Lohn bei eigener Krankheit, kein Lohn bei Unterrichtsausfall, keine feste Anstellung und vor den Sommerferien immer gefeuert.
Ist das nicht respektlos und asozial? Natürlich zeigte das Abzocken der Helfer bald seine schmerzliche Wirkung. Im Oktober 2019 berichtete der Spiegel, dass ein dramatischer Mangel an Schulbegleiter eingetreten sei. Auch bei uns stiegen viele aus, absolut deprimiert und voller Wut über die Regierung. Was aus ihnen geworden ist, weiß ich nicht.
Im Frühjahr referierte Innenminister Herbert Reul darüber, dass es 2022 alleine in Nordrhein Westfalen über 24.000 Straftaten an Schulen gab, nämlich Vandalismus, Diebstähle, Drogendelikte, Gewalt und so weiter. Und leider kamen zunehmend auch Stichwaffen vor. Das Kündigen der Lehrkräfte hat sich in den letzten 10 Jahren tatsächlich verdreifacht. Auch das ist wieder ein Zeichen für Kontrollverlust.
Im Juni forderte eine Allianz aus 89 Organisationen, also Verbände, Gewerkschaften und Stiftungen, endlich ein politisches Handeln von oberster Stelle, das heißt von Bundeskanzler Olaf Scholz. Die massiven Probleme dulden keinen weiteren Aufschub. Denn bereits für marode Schulgebäude existiert ein Sanierungsstau von 50 Milliarden Euro. Leider vermittelt schon dieses Fiasko, warum Lehrkräfte kaum noch an die Wende glauben. Und das, obwohl absurd viel Geld da wäre. Das Magazin kritisierte die Superreichen und schrieb, ihre Vermögen könnten den Staat retten.
Aber fühlt sich die Oberschicht eigentlich betroffen? Bezüglich der Bildung schickt sie ihre Töchter und Söhne sowieso lieber zu privaten Schulen beziehungsweise zu Eliteschulen, wo alles nach Wunsch verläuft: kleine Lerngruppen, Sonderpersonal für alle Probleme, bei Bedarf individuelle Förderung, kein Vandalismus und so weiter. Die High Society genießt in Deutschland ein göttliches Leben, warum sollte sich daran etwas ändern? Das wäre auch gegen den Trend in der Welt, gegen die Ruhmsucht und gegen den Egoismus. Diese Entwicklung erscheint wie ein galoppierender Wahnsinn.