Nach monatelangen Verhandlungen will Deutschland eine erste Gruppe von 50 unbegleiteten Kindern aus griechischen Flüchtlingslagern aufnehmen. "Die ersten Kinder werden nächste Woche in Deutschland ankommen", sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums am Mittwoch nach einem entsprechenden Kabinettsbeschluss in Berlin. Die Neuankömmlinge sollten zunächst 14 Tage lang in Corona-Quarantäne in Niedersachsen gehen. Danach würden sie auf die Bundesländer aufgeteilt. Weitere sollen folgen.
Die Aufnahme geht auf die Vereinbarung mit anderen EU-Ländern zurück, insgesamt bis zu 1600 unbegleitete Minderjährige aus den griechischen Lagern aufzunehmen. Dort leben sie ohne ihre Eltern unter Bedingungen, die auch das Bundesinnenministerium als "nicht tragbar" einstuft.
Die Bundesregierung will insgesamt etwa 300 bis 500 des von der EU vereinbarten Kontingents in Deutschland unterbringen. Bei den 50 Kindern, die kommende Woche erwartet werden, handelt es sich um die erste Gruppe.
Das Bundesinnenministerium bat um Verständnis dafür, dass nicht schon mehr Kindern eine Aufnahme angeboten werden könne. Der Prozess der Auswahl in den Lagern sei "sehr komplex", sagte der Sprecher. Verschiedene internationale Organisationen sowie die griechischen Behörden seien daran beteiligt. "Wir hätten uns gewünscht, dass das schneller vorangeht."
Die erste Gruppe umfasse nun 50 Betroffene, "weil im Moment nicht mehr vorliegende Dossiers für eine Aufnahme in Frage kommen", sagte der Sprecher. Es handle sich um Härtefälle. Jeder der Minderjährigen soll vor der Reise nach Deutschland einem Corona-Test unterzogen werden.
Nach Angaben des Innenministeriums liegen Zusagen von zehn EU-Staaten zur Aufnahme der Minderjährigen vor. An die Umsetzung der Zusage haben sich bislang aber nur Luxemburg und Deutschland gemacht.
"Wir wollen nicht länger auf andere warten und fangen jetzt an", sagte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) den Sendern RTL und n-tv. Er zeigte sich zuversichtlich, dass weitere Länder nachziehen werden. Deutschland wolle hier ein Zeichen setzen.
Die Zustände in den Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln gelten seit langem als untragbar. Hinzu kommt nun die Angst vor einer Verbreitung des neuartigen Coronavirus in den Einrichtungen.
Hilfsorganisationen forderten mehr Engagement von der Bundesregierung. "Die Aufnahme von 50 Kindern ist ein Alibi-Handeln der Bundesregierung und absolut unzureichend", kritisierte Günter Burkhardt, der Geschäftsführer von Pro Asyl. "Die Hotspots in Griechenland müssen evakuiert werden."
Diakonie-Präsident Ulrich Lilie bezeichnete es als "erfreulich", dass die Aufnahme der Kinder nun beginne. "Dies kann aber allenfalls ein Anfang sein", mahnte er. Angesichts des Risikos einer Masseninfektion mit dem Coronavirus in den Lagern müssten "Deutschland und die EU jetzt handeln und wesentlich mehr Menschen direkt von den Inseln ausfliegen".
Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR äußerte Respekt für die deutsche Entscheidung. "Das ist eine wichtige Entscheidung, auf die wir lange gewartet haben", erklärte der Deutschland-Vertreter des UNHCR, Frank Remus. "Dieser Schritt zeigt die Solidarität Deutschlands mit Menschen in Not, aber auch mit Griechenland," Gleichwohl handle es sich "nur um 50 Tropfen auf den heißen Stein".
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