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Erneuter Angriff auf Flüchtlingslager

Mehr als 400 Menschen verlassen Gazastreifen

Bei der erstmaligen Öffnung des Grenzübergangs Rafah seit Beginn des Krieges zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas haben mehr als 400 Menschen den Gazastreifen verlassen können, darunter mehrere Deutsche. Ein ägyptischer Behördenvertreter sagte am Mittwoch der Nachrichtenagentur AFP, 76 Verletzte sowie 335 Menschen mit ausländischer oder doppelter Staatsbürgerschaft seien nach Ägypten gelangt. Indes meldete die radikalislamische Hamas einen erneuten Angriff Israels auf das Flüchtlingslager Dschabalia mit "Dutzenden" Toten sowie einen Angriff auf Gaza-Stadt. US-Präsident Biden forderte eine "Pause" der Kämpfe. 

Aus dem Auswärtigen Amt hieß es, dass "eine niedrige einstellige Zahl deutscher Staatsangehöriger Gaza über den Grenzübergang Rafah verlassen" habe. Den ägyptischen Behörden zufolge wurden die Verletzten mit Krankenwagen vom Gazastreifen nach Ägypten gebracht. Nach Angaben von Ärzte ohne Grenzen (MSF) sind immer noch mehr als 20.000 Verwundete im Gazastreifen ohne ärztliche Versorgung.

Wie AFP aus Sicherheitskreisen erfuhr, soll der Grenzübergang am Donnerstag erneut für die Ausreise weiterer Ausländer geöffnet werden. In den vergangenen Wochen war lediglich Hilfskonvois die Durchfahrt genehmigt worden. Am Mittwoch konnten nach Angaben Israels 61 Lkw mit Medikamenten und Lebensmitteln die Grenze passieren - am Vortag waren es 59 gewesen.

Unter den aus dem Gazastreifen ausgereisten ausländischen Staatsbürgern waren auch vier Italiener, fünf Franzosen, 20 Australier und 31 Österreicher. Nach Angaben von US-Präsident Joe Biden verließen zudem die ersten US-Bürger den Gazastreifen.

Biden forderte am Mittwoch eine "Pause" der Kämpfe, damit die "Gefangenen" den Gazastreifen verlassen können. Später erklärte das Weiße Haus, dass Biden mit den "Gefangenen" die von der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas verschleppten Geiseln meinte.

Das Gesundheitsministerium der radikalislamische Hamas erklärte unterdessen, israelische Kampfflugzeuge hätten am Mittwoch erneut das Flüchtlingslager Dschabalia  bombardiert, wobei es dutzende Tote und Verletzte gegeben habe. Aufnahmen der Nachrichtenagentur AFP zeigten Zerstörungen durch den erneuten Angriff. Der Pressedienst der Hamas-Regierung berichtete zudem von weiteren "massiven israelischen Angriffen" auf das Viertel Tal al-Hawa in Gaza-Stadt in der Nacht, bei denen es Opfer gegeben habe. Die Angaben der Hamas konnten nicht unabhängig überprüft werden.

Bei einer ersten Bombardierung des Flüchtlingslagers im Norden des Gazastreifens waren am Dienstag mindestens 47 Menschen getötet worden, wie AFP auf Bildern feststellen konnte. Die Hamas erklärte später, unter den Todesopfern seien auch sieben der von ihr aus Israel verschleppten Geiseln, drei von ihnen mit ausländischer Staatsbürgerschaft. 

Israel hatte eigenen Angaben zufolge am Dienstag ein Tunnelsystem unter dem Flüchtlingslager bombardiert. Dabei seien der führende Hamas-Vertreter Ibrahim Biari und zahlreiche weitere Kämpfer der  Palästinenserorganisation getötet worden. Biari war nach israelischen Angaben einer der Drahtzieher hinter dem Großangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober.

"Israel behauptet (...), dass es hier Tunnel und Waffen gibt", sagte ein 30-jähriger Bewohner des Lagers. "Sie haben ein Wohngebiet mit vielen jungen und älteren Menschen getroffen. (...) Es gibt keinen Widerstand (von Hamas-Kämpfern)", fügte er hinzu. 

Nach Einschätzung der UNO könnten die Angriffe "Kriegsverbrechen" darstellen. "Angesichts der hohen Zahl von Opfern und des Ausmaßes der Zerstörung nach den israelischen Luftangriffen auf das Dschabalia-Flüchtlingslager haben wir ernsthafte Bedenken, dass es sich um unverhältnismäßige Angriffe handelt", schrieb das Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte auf X (früher Twitter). 

Die im Gazastreifen herrschende radikalislamische Hamas hatte am 7. Oktober bei einem Großangriff auf Israel nach israelischen Angaben mindestens 1400 Menschen getötet und mindestens 240 Menschen in den Gazastreifen verschleppt. Als Reaktion auf den Hamas-Angriff hat Israel den Gazastreifen unter Dauerbeschuss genommen und das Palästinensergebiet komplett abgeriegelt. Durch die israelischen Bombardierungen wurden nach nicht unabhängig überprüfbaren Angaben der Hamas mehr als 8700 Palästinenser getötet.

kbh


Adel Zaanoun und Jonah Mandel / © Agence France-Presse