Nach tagelangen heftigen Kämpfen ist es der ukrainischen Armee nach eigenen Angaben gelungen, die russischen Streitkräfte am von Russland kontrollierten Ostufer des Flusses Dnipro mehrere Kilometer zurückzudrängen. Die vorläufigen Schätzungen schwankten je nach der Beschaffenheit und Geografie des Ufers "zwischen drei und acht Kilometern", sagte Armeesprecherin Natalia Gumenjuk am Sonntag im ukrainischen Fernsehen. Unterdessen griff Russland die Hauptstadt Kiew nach Behördenangaben erneut mit Drohnen an.
Ob die Ukraine durch ihren Vorstoß am Dnipro vollständig die Kontrolle über das Gebiet in der Region Cherson wiedererlangt hat und sich die Russen zurückgezogen haben, sagte Gumenjuk nicht. "Der Feind setzt sein Artilleriebeschuss auf dem rechten Ufer fort", sagte sie. Schätzungen zufolge befänden sich in dem Gebiet "mehrere Zehntausend" russische Soldaten. "Wir haben noch viel Arbeit vor uns", betonte die Sprecherin.
Der breite Dnipro stellt seit einem Jahr die Frontlinie zwischen den ukrainischen und russischen Streitkräften im Süden der Ukraine dar. Das Westufer wird von der Ukraine gehalten, während Russland das gegenüberliegende Ufer kontrolliert. Ukrainische Soldaten hatten mehrfach versucht, den Fluss zu überqueren um Moskaus Truppen zurückzudrängen.
In den vergangenen Tagen hatte das ukrainische
Militär schwere Kämpfe und einen "erfolgreichen Durchbruch" am Dnipro
gemeldet. Russland erklärte seinerseits, der Ukraine in den Kämpfen
schwere Verluste zuzufügen. In einem aktuellen Lagebericht des
russischen Militärs am Sonntag wurde die Situation am Ostufer des
Flusses jedoch nicht kommentiert. Die Nachrichtenagentur AFP kann die
Angaben der Kriegsparteien nicht unabhängig überprüfen.
Sollten sich die jüngsten Berichte über den ukrainischen Vorstoß bestätigen, wäre dies der größte Erfolg der Ukraine gegen die russischen Streitkräfte seit mehreren Monaten. Die von Kiew im Juni gestartete Gegenoffensive verlief bislang schleppend und führte zunächst nur zu Rückeroberung einer Handvoll Dörfer im Süden und Osten des Landes.
Die Einnahme von russischen Stellungen am Ostufer des Dnipro könnte den ukrainischen Truppen einen größeren Angriff im Süden ermöglichen. Ein Zurückdrängen der russischen Soldaten würde auch die Lage in ukrainischen Städten und Dörfern am Westufer des Flusses beruhigen, die in den vergangenen Monaten unter ständigem Beschuss standen.
Unterdessen wurden bei einem russischen Angriff auf die südukrainische Stadt Cherson nach Angaben des ukrainischen Innenministers Igor Klymenko fünf Menschen verletzt, darunter ein drei Jahre altes Kind.
Auch die Hauptstadt Kiew wurde in der Nacht zum Sonntag laut Behördenangaben erneut von Russland mit Drohnen aus iranischer Produktion angegriffen. Militärverwaltungschef Serhij Popko zufolge wurden zunächst "keine Opfer oder kritische Schäden" gemeldet. Nach Angaben des ukrainischen Generalstabs wurden 15 der insgesamt 20 Drohnen zerstört.
Das russische Verteidigungsministerium erklärte, bei Angriffen ein Treibstofflager in Kirowograd im Zentrum der Ukraine und ein Munitionslager in der Nähe von Kiew getroffen zu haben. Bereits am Vortag hatte die ukrainische Luftwaffe erklärt, sie habe beim größten nächtlichen Drohnenangriff seit Ende September im gesamten Land 29 von 38 russischen Drohnen abgeschossen.
Laut dem stellvertretenden Leiter des Präsidentenbüros, Oleksij Kuleba, will Kiew im Kampf gegen die russischen Drohnenangriffe die Zahl seiner "mobilen Gruppen" aufstocken. Zudem solle der Schutz der Energieinfrastruktur verstärkt werden.
Präsident Wolodymyr Selensky äußerte die Sorge, dass Russland seine Angriffe auf die Energieinfrastruktur seines Landes verstärken werde, um die Wärme- und Stromversorgung der Ukraine über den Winter hinweg lahmzulegen.
Das russische Verteidigungsministerium meldete derweil am Sonntag die Abwehr eines ukrainischen Drohnenangriffs über Moskau. Laut Bürgermeister Sergej Sobjanin gab es "keine Schäden oder Opfer". Es seien Rettungskräfte an der Stelle im Einsatz, wo Trümmerteile herabgefallen seien, erklärte er im Onlinedienst Telegram.
Seit dem Beginn ihrer Gegenoffensive hatte die Ukraine ihre Drohnenangriffe auf russisches Staatsgebiet verstärkt. Zuletzt waren Angriffe auf Moskau jedoch selten geworden.
lt/gt
© Agence France-Presse
Verpassen Sie keine Eilmeldung, Top-News oder Gewinnspiel mehr ;-)