Nach dem Sieg des Rechtspopulisten Geert Wilders bei der vorgezogenen Parlamentswahl stehen die Niederlande vor einer schwierigen Regierungsbildung. Wilders' PVV kam nach Auszählung fast aller Stimmen auf 37 von 150 Parlamentssitzen und verdoppelte damit fast ihr Ergebnis von 2021. Nun muss der 60-Jährige die Herausforderung meistern, eine Koalition mit Rivalen zu bilden, die dies ausgeschlossen haben. Im Ausland reagierten rechte Parteien begeistert - und ihre politische Konkurrenz mit Besorgnis.
Das Mitte-links-Bündnis Groenlinks/PvdA mit seinem Chef Frans Timmermans kommt nach den fast vollständigen Ergebnissen auf 25 Sitze im Parlament, das sind acht mehr als bislang. Danach folgt die bürgerlich-konservative VVD des scheidenden Regierungschefs Mark Rutte mit nur 24 Sitzen (-10). Die neu gegründete Partei Neuer Sozialer Vertrag des ehemaligen Christdemokraten Pieter Omtzigt (NCP) kommt demnach auf 20 Sitze.
Wilders sagte vor Journalisten, er wolle der "Ministerpräsident aller Niederländer" sein und "hart mit anderen Parteien" daran arbeiten, eine Koalition zu bilden. Am Mittwochabend nach Veröffentlichung der ersten Prognosen hatte Wilders vor Anhängern gesagt, seine Freiheitspartei PVV könne "nicht mehr ignoriert werden". Die Niederländer hofften, dass "die Menschen ihr Land zurückbekommen und dass wir dafür sorgen, dass der Tsunami von Asylbewerbern und Einwanderern reduziert wird".
Es ist jedoch unklar, wie Wilders die mindestens 76 Sitze im Parlament zusammenbekommen könnte, die er für eine arbeitsfähige Koalition braucht. Vorsitzende anderer großer Parteien hatten im Vorfeld erklärt, sich einer von der PVV geführten Koalition nicht anschließen zu wollen.
NCP-Chef Omtzigt schien von dieser Position aber abzuweichen und sagte, er stehe "zur Verfügung" - wenn auch die Koalitionsgespräche "nicht einfach" würden. Der ehemalige EU-Kommissar Timmermans schloss eine Koalition mit Wilders hingegen erneut aus und erklärte: "Jetzt ist es an der Zeit, die Demokratie zu verteidigen."
Wilders' Sieg kommt für die Niederlande einem politischen Erdbeben gleich. Der Rechtspopulist ist als "niederländischer Trump" bekannt - nicht nur wegen seiner ähnlich wie bei Ex-US-Präsident Donald Trump nach hinten gekämmten blondierten Haare, sondern auch wegen seiner heftigen Polemik gegen Einwanderer und Muslime.
Mehrere Rechtsaußenpolitiker aus anderen europäischen Ländern beglückwünschten Wilders zu dessen "Monster-Sieg", wie der öffentlich-rechtliche Sender NOS den Wahlausgang bezeichnete.
Frankreichs Rechtspopulistin Marine Le Pen erklärte auf X, Wilders' "spektakuläres" Ergebnis bestätige "die wachsende Unterstützung für die Verteidigung der nationalen Identitäten". Ungarns rechtsnationalistischer Ministerpräsident Viktor Orban gratulierte Wilders ebenfalls und schrieb auf X von einem "Wind des Wandels".
In Deutschland gratulierte die Bundestagsfraktionschefin der AfD, Alice Weidel, dem 60-Jährigen im Onlinedienst X (vormals Twitter) auf Niederländisch und Deutsch zu einem "großen Erfolg", der belege, dass "ganz Europa" die "politische Wende" wolle.
Im Rest des Parteienspektrums löste der Wahlausgang Besorgnis aus. Die SPD-Spitzenkandidatin für die Europawahl, Katarina Barley, schrieb auf X, es werde "dunkler in Europa". Aus der Union wurden unter Bezugnahme auf die Wahl in den Niederlanden Rufe nach einem Kurswechsel in der Migrationspolitik laut. CSU-Chef Markus Söder forderte eine "Integrationsgrenze" und "klare Stoppsignale", CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen mahnte Lösungen in der Migrationspolitik an. Grünen-Europapolitiker Anton Hofreiter sprach hingegen von einer "klaren Botschaft" an CDU-Chef Friedrich Merz, dass Anbiederung an "Rechtspopulisten und Rechtsextreme" diese nur stärker mache.
Während des niederländischen Wahlkampfs hatte sich Wilders zwar um ein moderateres Image bemüht. Im Wahlprogramm seiner PVV wird Asylbewerbern aber unter anderem unterstellt, kostenlos zu "schlemmen", während niederländische Familien bei den Lebensmitteln sparen müssten. Zudem fordert die PVV darin ein Verbot von Islamschulen, des Korans und von Moscheen sowie einen Kopftuch-Bann für Regierungsgebäude. Zudem strebt die Partei an, in einem "verpflichtenden Referendum" über den Ausstieg der Niederlande aus der EU abzustimmen.
"Für Muslime beginnt eine sehr schwierige Zeit", sagte Mushin Köktas von der Kontaktstelle für Muslime und die Regierung (CMO) der niederländischen Nachrichtenagentur ANP.
Die Neuwahl des niederländischen
Parlaments war notwendig geworden, nachdem die Koalition des
langjährigen Regierungschefs Mark Rutte Anfang Juli im Streit um die
Einwanderungspolitik zerbrochen war. Kurz darauf kündigte der
Regierungschef überraschend seinen Rückzug aus der Politik an.
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Richard Carter / © Agence France-Presse