Nach dem Auslaufen einer einwöchigen Feuerpause haben die Kämpfe zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas im Gazastreifen von neuem begonnen. Die Palästinenserorganisation habe die Waffenruhe verletzt und zudem in Richtung des israelischen Gebiets geschossen, erklärte die israelische Armee am Freitag. Israelische Kampfjets hätten Ziele in der Stadt Gaza angegriffen. Unterdessen gingen internationale Bemühungen um eine erneute Waffenruhe weiter. Auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) warb für eine Fortsetzung der Kampfpause.
Die Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas war am Freitag um 07.00 Uhr (Ortszeit, 06.00 MEZ) auslaufen. Journalisten der Nachrichtenagentur AFP berichteten von Luft- und Artillerieangriffen im Norden und Süden des Gazastreifens. In mehreren israelischen Orten in der Nähe des Gazastreifens ertönten die Alarmsirenen. Etwa eine Stunde vor Ablauf der Feuerpause hatte Israel nach eigenen Angaben eine aus dem Gazastreifen abgefeuerte Rakete abgefangen.
Eine der Hamas nahestehende Quelle sagte AFP, der bewaffnete Arm der Palästinenserorganisation habe "den Befehl erhalten, den Kampf wieder aufzunehmen" und "den Gazastreifen zu verteidigen". Aus Teilen der Stadt Gaza wurden schwere Kämpfe gemeldet.
Das von der Hamas kontrollierte Gesundheitsministerium im Gazastreifen erklärte, in den ersten Stunden nach Auslaufen der Feuerpause seien 29 Menschen getötet worden, unter den Opfern seien mehrere Kinder. Das Ministerium meldete sieben Tote in Dschabalija und der Stadt Gaza, zwölf Tote in Chan Junis und Rafah im Süden des Gazastreifens sowie zehn weitere Tote im Flüchtlingslager al-Maghasi im Zentrum des Palästinensergebiets.
Wenige Stunden vor Ablaufen der Waffenruhe wurden noch sechs israelische Geiseln freigelassen. Nach Angaben des Vermittlers Katar waren darunter uruguayische, mexikanische und russische Doppelstaatler. Die islamistische Hamas erklärte, sechs Israelis seien dem Roten Kreuz übergeben worden. Die "siebte Gruppe" sei nun vollständig freigelassen worden. Zuvor am Donnerstag hatte die israelische Armee nach eigenen Angaben zwei israelische Geiseln aus dem Gazastreifen im Empfang genommen.
Die Feuerpause war seit Freitag vergangener Woche in Kraft. Während der Waffenruhe wurden im Rahmen einer Einigung zwischen Israel und der Hamas 80 von der Palästinenserorganisation aus Israel verschleppte Geiseln befreit, unter ihnen insgesamt 14 deutsche Doppelstaatler. Im Gegenzug wurden 240 palästinensische Häftlinge aus israelischen Gefängnissen entlassen. Außerdem ließ die Hamas 23 Thailänder, ein Philippiner und ein russisch-israelischer Doppelstaatler außerhalb der Vereinbarung frei. Fünf Geiseln waren bereits vor der Feuerpause freigelassen worden.
Das Büro des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu erklärte nach Wiederaufnahme der Kämpfe, die Regierung sei "entschlossen, die Ziele des Krieges zu erreichen". Dazu gehörten die Freilassung der Geiseln und die Eliminierung der Hamas. Es müsse sichergestellt werden, "dass der Gazastreifen nie wieder eine Bedrohung für die Bewohner Israels darstellt".
Am 7. Oktober waren hunderte Hamas-Kämpfer nach Israel eingedrungen und hatten Gräueltaten, überwiegend an Zivilisten, verübt. Israelischen Angaben zufolge wurden etwa 1200 Menschen in Israel getötet und rund 240 Menschen als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt.
Israel bombardierte als Reaktion wochenlang massiv Ziele im Gazastreifen aus der Luft und vom Boden aus. Angaben der Hamas zufolge, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, wurden seitdem mehr als 15.000 Menschen in dem Palästinensergebiet getötet, unter ihnen mehr als 6000 Kinder und Jugendliche.
Trotz der Wiederaufnahme der Kämpfe wurden die Gespräche über eine erneute Waffenruhe unter Vermittlung Katars und Ägyptens nach Angaben aus Verhandlungskreisen am Freitag fortgesetzt. Katars Außenministerium rief die internationale Gemeinschaft auf, "schnell zu handeln, um die Gewalt zu beenden". Die Kämpfe würden "die Vermittlungsbemühungen verkomplizieren und die humanitäre Katastrophe verschärfen".
Auch Bundesaußenministerin Baerbock warb für eine erneute Feuerpause. "In diesen Minuten müssen wir alles dafür tun, dass die humanitäre Feuerpause fortgeführt wird", erklärte Baerbock. Dies sei nötig "sowohl für die verbleibenden Geiseln, die seit Wochen in finsteren Tunneln auf Freilassung hoffen, als auch für die notleidenden Menschen in Gaza, die dringend mehr humanitäre Hilfe benötigen".
ma/bfi
Adel ZAANOUN / © Agence France-Presse