Der frühere britische Premierminister Boris Johnson hat Fehler seiner Regierung im Umgang mit der Corona-Pandemie eingestanden und sich bei Opfern und Hinterbliebenen entschuldigt. "Ich verstehe das Gefühl der Opfer und ihrer Familien und es tut mir zutiefst leid für den Schmerz, den Verlust und das Leid dieser Opfer und ihrer Familien", sagte Johnson am Mittwoch bei seiner Aussage vor dem Gremium, das den Umgang der britischen Regierung mit der Corona-Pandemie untersucht.
Zum politischen Handeln seiner Regierung während der Pandemie sagte er am ersten Tag der zweitägigen Anhörung: "Wir haben zwangsläufig Einiges falsch gemacht", fügte aber an: "Wir haben unser Bestes gegeben." Für die getroffenen Entscheidungen übernehme er die Verantwortung.
Die Zeitung "The Times" berichtete, Johnson wolle in der Anhörung darauf abheben, dass seine Entscheidungen letztlich hunderttausende Leben gerettet hätten. Seine Regierung habe ihr Hauptziel erreicht: Durch "richtige Entscheidungen zur richtigen Zeit" habe sie eine Überlastung des staatlichen Gesundheitssystems in Großbritannien verhindert.
Mit Blick auf sein Verhalten zur Zeit der Pandemie wird Johnson der "Times" zufolge argumentieren, er habe "ein Grundvertrauen darauf gehabt, dass es gut ausgehen werde" - und habe dabei der "fehlgeleiteten Logik" vertraut, dass frühere Gesundheitsnotlagen weniger katastrophal als befürchtet geendet hätten.
Durch die vom Coronavirus ausgelöste Krankheit Covid-19 starben in Großbritannien insgesamt mehr als 232.000 Menschen. Das Land gehörte damit im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung zu den am härtesten betroffenen Staaten weltweit. Alleine bis Mitte Juli 2021 waren in Großbritannien 130.000 Menschen an Covid-19 gestorben.
Bei der Untersuchung zur Aufarbeitung des staatlichen Umgangs mit der Pandemie soll noch in diesem Jahr auch der jetzige Premier Rishi Sunak befragt werden, der damals Finanzminister war.
Johnson hatte mit Partys an seinem Amtssitz zu Zeiten des Corona-Lockdowns für massive Empörung gesorgt. Im Sommer 2022 hatte er sein Amt niedergelegt. Sunak war zuvor aus Johnsons Kabinett zurückgetreten - und spielte eine wichtige Rolle bei dessen späterem Rücktritt.
Öffentliche Untersuchungen im Vereinigten Königreich wie die zur Corona-Pandemie werden von der Regierung finanziert, haben aber einen unabhängigen Vorsitz. Sie untersuchen Angelegenheiten von öffentlichem Interesse und verfolgen den Auftrag, Fakten zu ermitteln, die Gründe für das Geschehene festzustellen und Lehren daraus zu ziehen.
Die Untersuchungskomitees dürfen aber nicht über die zivilrechtliche oder strafrechtliche Haftung Beteiligter verhandeln, ihre Empfehlungen sind rechtlich nicht bindend.
Zu seiner Befragung am Mittwoch kam Johnson etwa drei Stunden zu früh an. Einige Beobachter sahen darin einen Versuch, einer möglichen Begegnung mit Hinterbliebenen von Covid-19-Opfern zu entgehen, die sich vor dem Ort der Befragung versammelten.
Bei der Befragung, die am Donnerstag weitergehen soll, dürfte Johnson sich auch dafür verantworten müssen, dass Großbritannien zu Beginn der Pandemie erst am 23. März 2020 einen landesweiten Lockdown anordnete. Großbritannien ging diesen Schritt erheblich später als andere europäische Staaten - und nach Einschätzung mehrerer früherer Minister und wissenschaftlicher Berater zu spät.
Johnson dürfte anführen, dass eine weitgehende Einschränkung des öffentlichen Lebens ihm sowohl persönlich als auch politisch widerstrebt habe. Vor Johnsons Aussage hatten sich vor dem Corona-Gremium zahlreiche damalige Wegbegleiter äußerst kritisch über Johnsons Umgang mit der Pandemie geäußert.
So erklärte sein damaliger Top-Berater Dominic Cummings, Johnson habe im März 2020 Englands obersten Amtsarzt Chris Whitty und den wissenschaftlichen Chef-Regierungsberater Patrick Vallance um ihre Einschätzung zu einem Youtube-Video gebeten, auf dem ein Mann mit einem "Spezial-Föhn" in seine Nase blies, "um Covid zu töten".
Cummings sprach von einen "Tiefpunkt". Vallance selbst erklärte vor dem Gremium, Johnson sei angesichts neuer Daten häufig "verwirrt" gewesen.
se/ju Caroline Taix und Brigitte Dusseau / © Agence France-Presse