Vor etwa drei Jahrzehnten, lange bevor ich von Corona hörte, hatte ich zum ersten Mal mit einem „wet market“ zu tun. Ich war in der nordsulawesischen Stadt Tomohon in Indonesien. Heute ist der dortige Tiermarkt als „extremer Markt“ bekannt, ein passender Name, wenn man bedenkt, was ich bei einem Spaziergang durch die unzähligen Gänge und Stände mit Verkäufern erlebt habe.
Es gab gerupfte Enten und Hühner, die an zusammengebundenen Füßen baumelten, und zu Haufen aufgetürmte glitzernde Fische. Aber auch Tiere wie Babirusa, ein bedrohter Hirscheber, der auf Sulawesi endemisch ist. Oder Schopfmakaken, eine weitere seltene sulawesische Art, lebend in kleine Käfige gequetscht. Ich sah Waldratten, eine unheimliche Auswahl an Flughunden, die sich an die Latten ihrer Käfige klammerten. Und schließlich auch eine bunte Sammlung von Haushunden und Katzen, die aus ihrem Gehege bellten und miauten.
Ein Verkäufer machte sich über mich lustig, während ich zusah, wie er die Haare einer Katze von ihrem Kadaver rupfte. Ein anderer spaltete das Bein eines Sulawesi-Schweins und spritzte mir dabei Blut aufs T‑Shirt. Die Szene war auf so vielen Ebenen verstörend, aber damals war ich relativ naiv gegenüber den potenziellen Risiken für die menschliche Gesundheit, die dieser Markt und die vielen anderen in der Region darstellen.
Coronaviren: Dromedare an MERS erkrankt
Zehn Jahre später, ich lebte im Norden Kenias und forschte mit Dromedaren, als meine geliebte Herde – zusammen mit anderen in der Grafschaft – positiv auf MERS (Middle Eastern respiratory syndrome) getestet wurde. MERS ist, wie vermutlich COVID-19 auch, eine Krankheit, die von Fledermäusen auf Kamele übertragen wird. Aber wie war das passiert? Wir kamen zu dem Schluss, dass MERS und andere Krankheiten verursachende Coronaviren seit vielen Jahren in Kamelpopulationen am Horn von Afrika zirkulieren. Das Übergreifen (Spillover) von Tieren auf Menschen blieb jedoch möglicherweise unentdeckt.
Inzwischen habe ich das Gefühl, den mikroskopisch kleinen „Krallen“ der Coronoviren kaum noch entkommen zu können. Als SARS (Severe acute respiratory syndrome) ausbrach, lebte ich in Indonesien. Ich erinnere mich noch daran, wie ich zum ersten Mal in meinem Leben Masken außerhalb von Krankenhäusern getragen habe. Bis heute staune ich darüber, wie wenig sich die Leute dafür interessierten. Wie die Menschen nur kurz zuhörten und dann schnell wieder vergaßen.
COVID-19: Vom Wildtiermarkt um die ganze Welt
Aktuell sind wir mit einer Pandemie konfrontiert, von der man annimmt, dass sie aus einem ähnlichen Umfeld entsprang. Einem Tiermarkt, auf dem Hühner, Kaninchen, Schweine zusammen mit wild gefangenen Arten verkauft werden. Inzwischen wissen wir: Ein solcher Markt war die perfekte Petrischale für einen gefährlichen Erreger, der eine Krankheit auslöste, die nun als COVID-19 bekannt ist.
Derzeit ist es absolut entscheidend, unsere Bemühungen auf die Gesundheit und Sicherheit zu konzentrieren. Wir müssen aber auch nach vorne schauen und neu bewerten, wie wir das Risiko der Übertragung von Coronaviren und anderer Krankheiten vom Tier auf den Menschen verhindern oder verringern können. COVID-19 zeigt uns, wie dringend wir unsere Beziehung zur Natur überdenken sollten.
Die Debatte über die Wechselbeziehungen menschlicher Handlungen und deren Folgen ist dringend notwendig und nimmt derzeit an Fahrt auf. Es geht darum, wie Abholzung, Artenverlust, Verstädterung, Klimawandel, Agrarindustrie und Wildtierhandel (legal und illegal) das Krankheitsrisiko erhöhen. Bis heute sind viele Zusammenhänge noch unklar. Das Einzige, was wir mit Sicherheit wissen, ist, dass es kompliziert ist.
Was macht Wildtiermärkte so gefährlich?
Auf Wildtiermärkten kommen tote Wildtiere (oder deren Teile) in Kontakt mit Jäger:innen, Händler:innen und Konsument:innen. Die Tiere werden verzehrt oder ihre Produkte in irgendeiner anderen Art und Weise verwendet (z.B. als Haustiere und Medikamente). Damit geht einher, dass verschiedene Arten aus verschiedenen Regionen – wild, in Gefangenschaft oder domestiziert – vermischt und zusammen transportiert werden. All dies erhöht das Risiko, dass Krankheitserreger auf neue Wirte übertragen werden.
Die vorübergehende Schließung der Märkte für Wildtiere oder das Verbot des Verzehrs von Fleisch von landlebenden Wildtieren, wie es von China im Februar erlassen wurde, sind daher sinnvolle und notwendige Sicherheitsmaßnahmen. Aber sie werden das eigentliche Problem nicht vollständig lösen. Wir müssen viel – und ich meine viel – mehr tun.
Schließt die Wildtiermärkte – jetzt!
Wir vom WWF fordern illegale und unregulierte Märkte sowie andere Hochrisikomärkte in der Nähe von Bevölkerungszentren zu beseitigen. Das gilt insbesondere dort, wo eine große Anzahl von Tieren – Haus- und Wildtiere; tote und lebende – in unmittelbarer Nähe verkauft werden. Vor allem solche Märkte, die Tiere wie Fledermäuse und Zibetkatzen anbieten, von denen bekannt ist, dass sie Coronaviren tragen.
Eine vom WWF in Auftrag gegebene Umfrage zeigt, die Bürger:innen – zumindest in Asien – sind bereit, diese Märkte ein für alle Mal dicht zu machen. Die große Mehrheit der Befragten (93 Prozent) aus Gemeinden in Südostasien und Hongkong würden demnach die Beseitigung illegaler und unregulierter Märkte unterstützen. Und genau dafür ist es jetzt an der Zeit: Die Regierungen sollten auf die Stimmen ihrer Bürger:innen hören und im Interesse ihrer Bevölkerung und der globalen Gesundheit handeln. Diese Märkte haben in unserer übermäßig vernetzten, globalen Gesellschaft keinen Platz mehr.
Titelfoto: Ein seltener Schopfmakake auf einem Tiermarkt © Rob Webster / WWF
Margaret Kinnaird
Dr. Margaret Kinnaird lebt in Nairobi und leitet das internationale "WWF- Wildlife-Practice-Programm". Sie arbeitet seit über 30 Jahren im Umweltschutz und gilt als renommierte Expertin. Sie hat zwei Bücher und mehr als 80 wissenschaftliche Papiere veröffentlicht. Sie ist außerdem Mitglied im Aufsichtsrat des Artenschutznetzwerks "TRAFFIC", bei "Wildlife Direct", beim Internationalen "Gorilla Conservation Program" and berät zudem die IUCN World Commission für "Protected Areas".