Nach dem Schusswaffenangriff in der Prager Karls-Universität hat Tschechien mit einer eintägigen Staatstrauer der 14 Todesopfer gedacht. Die Flaggen an allen Regierungsgebäuden wehten am Samstag auf Halbmast, nach einer Schweigeminute läuteten Kirchen im ganzen Land ihre Glocken. Präsident Petr Pavel nahm im Veitsdom auf der Prager Burg an einem Trauergottesdienst teil. Die Suche nach dem Motiv des Täters ging unterdessen weiter.
Der 24-jährige Student der Karls-Universität hatte am Donnerstagnachmittag in einem Hochschulgebäude in der Nähe der berühmten Karlsbrücke in der Prager Altstadt 13 Menschen erschossen und sich danach selbst getötet. Ein Verletzter starb später im Krankenhaus. Die Bluttat löste über die Landesgrenzen hinweg Entsetzen aus.
"Wir versuchen alle, den Himmel auf Erden zu erschaffen, aber die Realität des Lebens zeigt uns, dass das Böse existiert", sagte der Prager Erzbischof Jan Graubner in der Messe im Veitsdom. Studierende der Philosophischen Fakultät der Karls-Universität brachten weiße Rosen für die Opfer zum Altar.
"Das Leben jedes Menschen bereichert in seiner Einzigartigkeit das Leben anderer und wird ein Teil davon. Sein Verlust ist daher unersetzlich", sagte die Rektorin der Karls-Universität, Milena Kralickova.
Ein Chor, der in der Messe sang, wurde von dem Musiker und Dozenten David Eben vom Musikwissenschaftlichen Institut geleitet. Die 49-jährige Institutsleiterin und zweifache Mutter Lenka Hlavkova ist unter den 14 Todesopfern.
Der tschechische Regierungschef Petr Fiala hatte schon am Freitag einen improvisierten Gedenkort vor der Universität besucht, wo Studierende und andere Trauerende hunderte Kerzen aufgestellt haben. Es sei schwer, die richtigen Worte zu finden, um die Tat zu verurteilen und zugleich "den Schmerz und die Trauer auszudrücken, die unser ganzes Land in diesen Tagen vor Weihnachten empfindet", sagte Fiala.
Bei dem Schützen handelte es nach Polizeiangaben um einen Einzeltäter. Er war nicht polizeibekannt, verfügte den Ermittlern zufolge aber über ein "riesiges Arsenal an Waffen und Munition". Der 24-Jährige wird auch mit dem Tod seines Vaters in Verbindung gebracht, dessen Leiche kurz vor dem Schusswaffenangriff in der Universität im Ort Hostoun westlich von Prag entdeckt worden war.
Nach Angaben von Polizeichef Martin Vondrasek hatte die Polizei schon nach dem Fund der Leiche des Vaters eine Fahndung nach dem 24-Jährigen eingeleitet. Er hatte demnach in einer Notiz angekündigt, sich in Prag selbst töten zu wollen.
Die Polizei durchsuchte daraufhin das Hauptgebäude der Philosophischen Fakultät in der Vermutung, den 24-Jährigen dort bei einer Vorlesung anzutreffen. Der Schütze hatte jedoch ein anderes Gebäude der Fakultät betreten. Gegen 15.00 Uhr gingen bei der Polizei erste Informationen über Schüsse ein. Die schnelle Eingreiftruppe war laut Vondrasek innerhalb von zwölf Minuten vor Ort. Gegen 15.20 Uhr wurde die Leiche des Schützen gefunden.
Der 24-Jährige wird außerdem verdächtigt, am 15. Dezember einen jungen Mann und dessen zwei Monate alte Tochter bei einem Spaziergang im Wald in einem Prager Vorort getötet zu haben. Eine ballistische Analyse habe ergeben, dass die im Wald benutzte Waffe "identisch" sei mit einer Waffe, "die im Haus des Universitätsschützen gefunden wurde", schrieb die Polizei im Onlinedienst X (vormals Twitter).
Die Polizei nahm seit dem Angriff in der Universität vier Menschen fest, weil sie entweder mit einer Nachahmung der Tat drohten oder diese befürworteten. Bis mindestens Neujahr wird die Polizei einige Orte verstärkt bewachen, darunter mehrere Schulen.
mid/dja AFP