Nach großer Sorge um den Verbleib von Alexej Nawalny hat sich der seit drei Wochen vermisste inhaftierte russische Oppositionspolitiker erstmals seit seiner Haftverlegung in die russische Polarregion zu Wort gemeldet. "Machen Sie sich keine Sorgen um mich. Mir geht es gut", schrieb Nawalny am Dienstag im Onlinedienst X, vormals Twitter. Zuvor hatte eine Sprecherin mitgeteilt, der Kreml-Kritiker sei in eine Strafkolonie im Norden Russlands verlegt worden.
Die 20 Tage dauernde Verlegung zu seinem neuen Haftort sei "ziemlich anstrengend" gewesen. Er sei aber "immer noch gut gelaunt, wie es sich für einen Weihnachtsmann gehört", erklärte Nawalny mit Blick auf seine den klimatischen Bedingungen angepasste Winterkleidung und seinen während der langen Reise gewachsenen Bart. "Ich bin total erleichtert, dass ich es endlich geschafft habe", schrieb er.
Außer einer schneebedeckten und als Hof genutzten Nachbarzelle und einem Zaun vor seinem Fenster habe er bislang wenig von seiner Umgebung gesehen. "Leider gibt es keine Rentiere, aber es gibt riesige flauschige und sehr schöne Schäferhunde", schrieb er.
Der Kreml-Kritiker sitzt derzeit eine 19-jährige Haftstrafe ab, im Sommer war er wegen "Extremismus" verurteilt worden. Angehörige und Mitstreiter hatten seit Anfang Dezember nichts mehr von ihm gehört. Eine Verlegung aus seinem bisherigen, rund 250 Kilometer von Moskau entfernten Haftort hatte als wahrscheinlich gegolten.
Am Montag hatte seine Sprecherin Kira Jarmisch mitgeteilt, dass Nawalny sich in der Strafkolonie Nummer drei in der Ortschaft Charp in dem im Hohen Norden Russlands gelegenen Autonomen Kreis der Jamal-Nenzen befinde und sein Anwalt ihn besucht habe. Die entlegene Ortschaft Charp mit rund 5000 Einwohnern liegt nördlich des arktischen Polarkreises, in ihr liegen mehrere Strafkolonien.
Nawalny befindet sich nach Angaben seiner Sprecherin derzeit in der Kolonie Nummer 3, die auch unter dem Namen "Polarwolf" bekannt ist. Diese sei "eine der abgelegensten Kolonien" in Russland, sagte der Nawalny-Vertraute Iwan Schdanow. "Die Bedingungen dort sind hart." Es gebe sehr wenig Kontakt zur Außenwelt.
Nawalny gab an, dass er am Samstagabend in der neuen Strafkolonie angekommen sei. Die Reiseroute sei "so seltsam" gewesen, dass er nicht damit gerechnet habe, von seinen Angehörigen vor Mitte Januar gefunden zu werden. "Deshalb war ich überrascht, als sich gestern die Zellentür öffnete und man mir sagte: 'Ein Anwalt ist für dich da'", schrieb er. Für die ihm entgegengebrachte "Unterstützung" sei er dankbar.
Die USA zeigten sich besorgt über die Haftbedingungen Nawalnys. Es sei zwar zu begrüßen, dass es nach fast drei Wochen Ungewissheit Informationen über seinen Aufenthaltsort gebe, erklärte das US-Außenministerium. "Wir sind aber weiterhin zutiefst besorgt über das Wohlergehen von Herrn Nawalny und die Bedingungen seiner ungerechtfertigten Inhaftierung." Die US-Regierung verlange weiterhin seine "sofortige Freilassung".
Die französische Regierung verurteilte Nawalnys Verlegung. Eine Sprecherin des Außenministeriums in Paris sprach von einer "eklatanten Verletzung von Menschenrechten".
Verlegungen von einer Strafkolonie in eine andere dauern in Russland oft mehrere Wochen und erfolgen über Zugfahrten, die von mehreren Zwischenhalten unterbrochen werden. Die Angehörigen der Gefangenen erhalten während dieser Zeit keinerlei Angaben zu deren Aufenthaltsort.
Nawalny gilt als schärfster innenpolitischer Kritiker von Präsident Wladimir Putin. Nach einem Giftanschlag, für den er den Kreml verantwortlich macht, war er zu seiner Behandlung nach Deutschland ausgereist. Im Januar 2021 kehrte Nawalny nach Russland zurück und wurde sofort verhaftet.
Gemäß dem im Sommer gegen ihn ergangenen Urteil muss Nawalny seine Strafe in einer Kolonie mit schärferen Haftbedingungen verbringen. Diese sind üblicherweise nur für lebenslänglich Verurteilte und besonders gefährliche Gefangene vorgesehen.
Die fehlenden Informationen über Nawalnys Aufenthaltsort hatten in den vergangenen Wochen international Sorge ausgelöst. US-Außenminister Antony Blinken äußerte sich am Samstag "zutiefst besorgt".
In Russland finden im März Präsidentschaftswahlen statt. Putin hatte Anfang Dezember seine Kandidatur für eine fünfte Amtszeit als Präsident angekündigt. Seine Wiederwahl gilt als sicher. Moskau schließt seit Jahren Oppositionelle von Wahlen und vom politischen Leben aus - eine Entwicklung, die seit Beginn der russischen Offensive in der Ukraine im Februar 2022 noch beschleunigt wurde.
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