Mehr als eine Million Tote wurden in 150 Jahren auf der New Yorker Insel Hart Island begraben - nun werden dort auch Coronavirus-Opfer beigesetzt. Die vor dem Stadtteil Bronx gelegene Insel wird zur letzten Ruhestätte für Menschen ohne finanzielle Mittel oder bekannte Angehörige. Die Zahl der anonymen Bestattungen in den Massengräbern der "Insel der Toten" hat wegen der Coronavirus-Krise deutlich zugenommen.
Die auch als "Gefängnis für die Toten" bezeichnete Insel ist einer der größten Friedhöfe der USA. Seit dem 19. Jahrhundert wurden dort Arme, nicht identifizierte Tote und totgeborene Kinder beigesetzt.
Die eineinhalb Kilometer lange Insel hat eine bewegte Geschichte: Die Stadt New York kaufte sie 1868 einem Landbesitzer ab, ab dem folgenden Jahr wurden dort Tote bestattet. Hart Island ist aber nicht nur ein riesiger Friedhof: Während des US-Bürgerkriegs diente die Insel als Gefangenenlager für Südstaaten-Soldaten, später als Nervenheilanstalt, Sanatorium für Tuberkulose-Patienten, Jugendhaftanstalt und in der Zeit des Kalten Krieges sogar als Raketenstützpunkt.
In den 1980er Jahren wurden auf Hart Island viele Aids-Tote beigesetzt, weil sie zu Lebzeiten den Kontakt zu ihren Angehörigen verloren hatten oder weil andere Friedhöfe aus Angst vor Ansteckungen eine Bestattung verweigerten.
Bis heute werden jedes Jahr rund 1200 Tote auf Hart Island beigesetzt. Bestattet werden sie in schlichten Särgen aus Kiefernholz, die in ausgehobenen Gräben aufeinandergestapelt werden. Auf der Insel arbeiten für gewöhnlich Häftlinge der berüchtigten New Yorker Haftanstalt Rikers Island für einen Stundenlohn von einem Dollar - nicht aber während der Coronavirus-Pandemie.
Bis heute ist die New Yorker Gefängnisverwaltung für Hart Island zuständig. Im vergangenen Jahr wurde aber beschlossen, dass die Verantwortung an die Parkverwaltung übergehen soll. War die Insel lange Zeit für Besucher gesperrt, wurden in den vergangenen Jahren Besucher zugelassen - allerdings streng reguliert.
New York ist der Brennpunkt der Coronavirus-Pandemie in den USA, zuletzt starben in der Millionenstadt und im gleichnamigen Bundesstaat mehr als 700 Menschen pro Tag. Weil in den Leichenhallen von Krankenhäusern kein Platz mehr ist, müssen Tote zwischenzeitlich in Kühllastern aufbewahrt werden.
fs/bfi
© Agence France-Presse