Scholz: Vertreibungsplan ist "Angriff auf unsere Demokratie" - Großdemos geplant
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat mit eindringlichen Worten die bei Geheimtreffen von Rechtsextremen und AfD-Politikern erörterten Pläne zur massenhaften Vertreibung von Menschen aus Deutschland verurteilt. Die Pläne seien "ein Angriff auf unsere Demokratie – und damit auf uns alle", sagte Scholz am Freitag. Deshalb seien nun "alle gefordert, klar und deutlich Stellung zu beziehen: Für Zusammenhalt, für Toleranz, für unser demokratisches Deutschland." Für das Wochenende wurden weitere Demonstrationen gegen Rechts erwartet.
Von derartigen Vertreibungsplänen wären "Millionen von Menschen" betroffen, sagte Scholz in einer Videobotschaft. "Bei diesem Gedanken läuft es einem eiskalt den Rücken herunter." Dass sich Menschen nun fragten, ob sie in Deutschland noch eine Zukunft hätten, sei "fürchterlich", betonte er. "Deshalb möchte ich Ihnen allen sagen: Sie gehören zu uns! Unser Land braucht Sie!"
Der Bundeskanzler verwies auch auf die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts, die der Bundestag am Freitag beschlossen hatte. "Wer für sich und seine Familie sorgt, wer sich für unser Land entscheidet und unsere Werte teilt, der kann den deutschen Pass künftig nach fünf Jahren erwerben, statt wie bisher nach acht", sagte Scholz. Dabei müsse niemand, der hier lebe und seinen Beitrag leiste, "seine Wurzeln verleugnen."
In ganz Deutschland sind für das Wochenende in einer Vielzahl großer und kleinerer Städte insgesamt rund 90 Kundgebungen gegen Rechtsextremismus angemeldet, wie aus einer Auflistung des Portals Zusammen gegen Rechts mit Stand vom Freitagmittag hervorgeht.
Am Freitag waren Veranstaltungen etwa in Münster geplant. Für den Samstag sind unter anderem Kundgebungen in Nürnberg, Dortmund, Hannover, Erfurt, Magdeburg und Frankfurt am Main angesetzt. Am Sonntag soll in München, Berlin, Köln, Dresden, Leipzig und Bonn demonstriert werden. Zu der Großkundgebung in München rufen 200 Organisationen gemeinsam auf und rechnen der "Süddeutschen Zeitung" zufolge mit mehr als 30.000 Teilnehmern. In Stuttgart sind sowohl für Samstag als auch für Sonntag Veranstaltungen geplant.
Scholz selbst hatte wie auch Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) am vergangenen Sonntag an einer Kundgebung in Potsdam teilgenommen. "Auch ich war dabei", sagte Scholz in seiner am Freitag veröffentlichten Videobotschaft. "Denn das, was wir gerade hier in unserem Land erleben, geht uns wirklich alle an – jede und jeden von uns."
Angesichts der Enthüllung des Geheimtreffens zeigten sich auch die Bischöfe der ostdeutschen Bistümer und Erzbistümer besorgt. Demokratische Prozesse und Institutionen würden "angezweifelt und verächtlich gemacht", populistische, rechtsextremistische und antisemitische Positionen würden "zunehmend salonfähig", schreiben die Bischöfe in einer gemeinsamen Erklärung.
"Wir Bischöfe bringen daher ganz klar zum Ausdruck, dass wir vor dem Hintergrund unseres eigenen Gewissens die Positionen extremer Parteien wie dem III. Weg, der Partei Heimat oder auch der AfD nicht akzeptieren können", heißt es in der Erklärung. Sie appellieren an die Bürgerinnen und Bürger im Wahljahr 2024: "Wir bitten Sie nachdrücklich: Informieren Sie sich vor Ihrer Wahlentscheidung aktiv und aus unterschiedlichen Quellen." Die ostdeutschen Bischöfe rufen gemeinsam dazu auf: "Wählen Sie verantwortungsvoll."
Die Integrationsbeauftragten von Bund und Ländern warnten, die Pläne für eine "Remigration" richteten sich gegen "die Grundfeste unseres Staates". In einer gemeinsamen Erklärung hieß es: "Die menschenverachtenden, rechtsextremen Pläne zur Deportation von Millionen Menschen mit Einwanderungsgeschichte und deren Unterstützerinnen und Unterstützer stehen mit ihrer menschenfeindlichen Ideologie in direkter Linie zum Nationalsozialismus."
In der vergangenen Woche hatte die Rechercheplattform Correctiv ein Geheimtreffen von AfD-Politikern, Rechtsextremisten und Unternehmern aufgedeckt. Die Teilnehmer trafen sich der Recherche zufolge im November bei Potsdam, um über die Vertreibung von Millionen Menschen mit Zuwanderungsgeschichte zu beraten.
Im Juni findet die Europawahl statt, im September sind Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg.
hol/cha © Agence France-Presse