Berlin - (ots) - Wir, die Unterzeichner*innen dieser Erklärung, rufen zu einer sofortigen und dauerhaften Waffenruhe und einer deutlichen Aufstockung der humanitären Hilfe im Gazastreifen auf, um eine Hungersnot zu verhindern und den Verpflichtungen der Resolution 2417 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen nachzukommen. Den Zugang zu humanitärer Hilfe für die Zivilbevölkerung zu ermöglichen, ist eine Verpflichtung nach dem humanitären Völkerrecht. Es müssen umgehend Maßnahmen ergriffen werden, um die Forderungen der UN-Resolution 2417, die den Einsatz des Aushungerns von Zivilist*innen als Methode der Kriegsführung verurteilt, wirksam umzusetzen. Der Schutz der Zivilbevölkerung in Gaza und Israel steht für uns an erster Stelle.
Die Gefahr einer Hungersnot im Gazastreifen nimmt aufgrund der anhaltenden Feindseligkeiten und der fortgesetzten Blockade täglich zu. Die Ergebnisse des IPC-Berichts (Integrated Food Security Phase Classification) von Ende 2023 zeigen, dass die gesamte Bevölkerung von einer Hungerkrise betroffen ist. Einer von vier Haushalten - mehr als eine halbe Million Menschen - leiden an als katastrophal eingestuftem Hunger. Das ist der höchste Anteil einer Bevölkerung, die sich in einer Ernährungskrise befindet, und der höchste jemals gemessene Wert in den weltweiten Aufzeichnungen des IPC. Praktisch alle Haushalte lassen täglich Mahlzeiten ausfallen. Manche Familien essen tagelang nichts. Vor dem 7. Oktober gab es in Gaza so gut wie keine akute Unterernährung. Die Vereinten Nationen sagen jedoch voraus, dass die akute Unterernährung von Kindern im Gazastreifen in den kommenden Monaten um 27 Prozent zunehmen wird.
Die Vereinten Nationen, Human Rights Watch und humanitäre Organisationen haben davor gewarnt, dass das Aushungern der Zivilbevölkerung in Gazastreifen als Methode der Kriegsführung eingesetzt wird. Das ist nach dem humanitären Völkerrecht rechtswidrig und stellt einen direkten Verstoß gegen die Resolution 2417 des UN-Sicherheitsrats dar. Alle Konfliktparteien sind dazu aufgefordert, ihren Verpflichtungen nachzukommen.
Nach der jüngsten Eskalation der Gewalt wurden mehr als zwei Drittel der Bevölkerung mit humanitärer Nahrungsmittelhilfe unterstützt. Der Bedarf hat sich erheblich vergrößert. Aufgrund von Gewalt, Unsicherheit und Zugangsbeschränkungen ist die Möglichkeit, humanitäre Hilfe zu leisten, deutlich zurückgegangen. Die Belagerung des Gazastreifens ist einer der Hauptfaktoren, die die Lieferung von Hilfsgütern behindert. Nach dem humanitären Völkerrecht sind die Konfliktparteien verpflichtet, einen raschen und ungehinderten Zugang zur Hilfe zu ermöglichen. Weitere Faktoren sind die anhaltenden Bombardierungen dicht besiedelter Gebiete, darunter auch Verteilungsstellen, und die massiven Beschränkungen im Norden und anderen Gebieten des Gazastreifens, humanitäre Hilfe zu leisten.
Säuglinge, Kleinkinder sowie schwangere und stillende Frauen sind derzeit stärker gefährdet als vor der Eskalation des Konflikts. Der völlig unzureichende Zugang zu Nahrungsmitteln, Wasser und lebenswichtigen Hilfeleistungen setzt diese Gruppen einem größeren Risiko aus, an Unterernährung und Krankheiten zu leiden, wodurch sich das Sterblichkeits- und Krankheitsrisiko erhöht.
Der Mangel an angemessener Wasserversorgung und Abwasserentsorgung führt zu weit verbreiteten Durchfällen und Krankheiten, die neben der Nahrungsaufnahme eine der direkten Ursachen für Unterernährung sind. Nur eine der drei aus Israel kommenden Wasserleitungen ist in Betrieb. In den nördlichen Bezirken gibt es keinen Zugang zu sauberem Wasser. Mindestens zwanzig Wasserversorgungseinrichtungen, darunter auch Reservoirs, wurden beschädigt oder zerstört. Auch der Treibstoffmangel hat schwerwiegende Auswirkungen auf die Wasserinfrastruktur. Abfälle häufen sich in den Straßen - etwa 50.000 Tonnen - und stellen ein vorrangiges Gesundheitsproblem dar.
Die Zerstörung der Infrastruktur für die Nahrungsmittelproduktion und -verteilung und die Beschränkung der kommerziellen Einfuhren haben den Zugang zu Nahrungsmitteln eingeschränkt. OCHA berichtet, dass von den 97 Bäckereien, die vor dem 7. Oktober in Gaza betrieben wurden, nur noch 15 in Betrieb sind. Satellitenbilder zeigen die Zerstörung vieler Fischereihäfen, Märkte, Gewächshäuser und landwirtschaftlicher Flächen.
Maßnahmen, die eine ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmittelhilfe verhindern, und die gezielte Zerstörung der Infrastruktur für die Nahrungsmittelproduktion und -verteilung, einschließlich landwirtschaftlicher Betriebe, Wassersysteme, Mühlen, Nahrungsmittelverarbeitungs- und -lagerstätten, Drehkreuze und Transportmittel für Nahrungsmittel, stellen einen direkten Verstoß gegen die UN-Resolution 2417 dar. Diese Resolution wurde 2018 einstimmig angenommen, um den Einsatz von Hunger und Aushungern als Kriegswaffe zu verurteilen.
Der Internationale Gerichtshof hat in seinem jüngsten Urteil gefordert, dass Israel sofortige und wirksame Maßnahmen ergreifen muss, um die dringend benötigte Grundversorgung und humanitäre Hilfe im Gazastreifen zu ermöglichen, wie zum Beispiel Nahrungsmittelhilfe und sauberes Trinkwasser. Drittstaaten sind rechtlich verpflichtet, dafür zu sorgen, dass alle Parteien ausreichende Hilfslieferungen nach Gaza zulassen und alle Hindernisse für einen rechtzeitigen und ungehinderten Zugang beseitigen.
Die einzige Möglichkeit, eine Hungersnot zu vermeiden, besteht darin, die Verschlechterung der Gesundheits- und Ernährungssituation und die steigende Morbidität zu stoppen, indem die Gesundheitsversorgung, die Wasserversorgung und die sanitären Einrichtungen, die Fischerei und die landwirtschaftlichen Flächen sowie die Märkte wiederhergestellt werden. Eine Hungersnot lässt sich bei anhaltenden Feindseligkeiten nicht vermeiden. Ein sofortiger und dauerhafter Waffenstillstand und ein verbesserter Zugang zu Hilfsgütern im gesamten Gazastreifen sind unerlässlich.
Unterzeichner*innen:
Aktion gegen den Hunger ActionAid Danish Refugee Council Humanity and Inclusion / Handicap International (HI) Insecurity Insight International Rescue Committee INTERSOS Islamic Relief Mercy Corps Norwegian Refugee Council Plan International Project Hope Save the Children Solidarités International Tarjimly War Child Alliance
Aktion gegen den Hunger