Kopf- oder Unterleibsschmerzen oder auch ein Hexenschuss: Die meisten Menschen denken nicht lange nach, bevor sie dagegen Schmerzmittel nehmen. Im Alltag geschieht das bei leichteren Beschwerden oft ohne medizinischen Rat. Doch auch der schützt manchmal nicht davor, dass es bei Medikamenten mitunter zu schweren Neben- oder Wechselwirkungen kommen kann. Ein bis zwei solcher Fälle, in denen es zu einem fulminant verlaufenden Leberversagen aufgrund einer Medikamenteneinnahmen und letztlich zum Tod kommt, erleben die Medizinerinnen und Mediziner am UKM jedes Jahr. So war es auch im Januar, als sie einem erst 50 Jahre alten Patienten – zuvor gesund und ohne Vorerkrankung – nicht mehr helfen konnten.
Münster - (ukm/aw) - In einem sind sich alle, die an der Behandlung des Patienten beteiligt waren, einig: Solche tragischen Fälle lassen sich nie zu einhundert Prozent ausschließen. Trotzdem möchten sich die Behandelnden dafür einsetzen, dass das Bewusstsein für die Risiken von Arzneimitteln wächst. „Auch wenn man Medikamente verordnet bekommt und in der richtigen Dosierung einnimmt, kann es gewisse individuelle Grundvoraussetzungen geben, die im absoluten Ernstfall zu einem solchen Ausgang für die Betroffenen führen können“, sagt Leberspezialist und Leitender Oberarzt mit Schwerpunkt Intensivmedizin, Priv.-Doz. Kai-Henrik Peiffer aus der Medizinischen Klinik B am UKM (Universitätsklinikum Münster).
Der verstorbene Patient hatte zuhause rund eine Woche lang wegen Muskelschmerzen den Wirkstoff Metamizol (Novalgin) eingenommen. Zusätzlich einige Ibuprofen-Tabletten. Beides, das betonen seine Ärzte ausdrücklich, in der korrekten Dosierung. „Das Tückische ist, dass bei bestimmten genetischen Prädispositionen beide Medikamente für sich alleine genommen zu Leberkomplikationen führen können. Auch Wechselwirkungen sind untereinander möglich. Woran es im konkreten Fall genau gelegen hat, können wir rückwirkend nicht eindeutig identifizieren“, sagt der Intensivmediziner Dr. Johannes Lepper, Oberarzt der Klinik für Kardiologie I, Internistische Intensivmedizin .
Auch dass der Patient, der aus einer anderen Klinik wegen seines sich weiter verschlechternden Zustands zugewiesen worden war, sofort mit maximal intensivmedizinischen Maßnahmen behandelt wurde, konnten den rasanten Verlauf des Leberversagens nicht bremsen. „Weil sich ein fulminanter Verlauf abzeichnete, haben wir sofort alles in die Wege geleitet, um den Patienten für ein neues Organ auf die Lebertransplantationsliste setzen zu lassen“, sagt Priv.-Doz. Philipp Houben, Geschäftsführender Oberarzt der Klinik für Allgemein, Viszeral- und Transplantationschirurgie und Bereichsleiter dort. Das sei innerhalb von nur vier Stunden gelungen – ein Rekordzeitraum, wie Houben betont. Am Ende verstarb der Patient aber wenige Stunden später.
Den behandelnden Ärzten ist es wichtig, zu vermitteln, dass sich Patientinnen und Patienten schon mit ersten Anzeichen eines Ikterus (Gelbsucht) unbedingt in Behandlung begeben sollten. „Sobald sich die Skleren (Augenbindehäute) und die Haut gelb verfärben und gegebenenfalls auch der Urin ungewöhnlich dunkel ist, sollten die Betroffenen unverzüglich handeln und eine Notaufnahme kontaktieren“, so der Appell aller drei, „Je schneller, desto besser.“ Das gilt auch für andere Fälle, in denen ein beginnender Ikterus anzeigt, dass die Leber in Gefahr ist, zum Beispiel bei Virusinfektionen, Alkoholmissbrauch oder dem Verzehr selbst gesammelter Pilze. Niemand könne die Dynamik eines Leberversagens sicher abschätzen, so die Warnung der Experten. Ohnehin überleben nur 15 Prozent der Patientinnen und Patienten unbehandelt eine solche schwere Episode.
Foto (UKM/Wibberg): Appellieren, sich bei Anzeichen von Gelbsucht schnellstens in Behandlung zu begeben: (v.l.) Dr. Johannes Lepper (Kardiologie 1), Priv.-Doz. Kai-Henrik Peiffer (Med. Klinik B) und Transplantationschirurg Priv.-Doz. Philipp Houben.