Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete!
Sehr geehrter Herr Botschafter!
Sehr geehrte Frau Wehrbeauftragte, liebe Eva Högl!
Nach der Debatte zum letzten Tagesordnungspunkt – das gebe ich unumwunden zu – ist die Versuchung groß, auf die beiden fünften Kolonnen Moskaus links und rechts des Parlaments einzugehen. Die Versuchung ist auch groß, einzugehen auf die Forderungen und Äußerungen der Unionsfraktion; aber gerade an Ihre Adresse sage ich: Es wäre gut, wenn wir uns darauf besinnen würden, worum es jetzt geht, und uns nicht in Schuldzuweisungen ergehen würden, was angeblich in zwei Jahren nicht gemacht worden ist, was in 15 Jahren vorher nicht geschehen ist.
Ich würde mir sehr wünschen, dass wir endlich einmal zur Kenntnis nehmen, dass von allen Beteiligten viele Fehler gemacht worden sind. Aber jetzt von dieser Bundesregierung unter den aktuellen Rahmenbedingungen, mit der Schuldenbremse, mit den Restriktionen, die wir haben, zu erwarten, die Fehler der Vergangenheit in zwei Jahren auszubügeln: Etwas mehr Demut und Konstruktivität würde ich mir schon wünschen.
Ein Satz ist mir nach meinen Besuchen in der Ukraine besonders in Erinnerung geblieben. Immer wieder sagten mir ukrainische Soldatinnen und Soldaten während unserer Gespräche: Wir kämpfen dafür, dass unsere Kinder diesen Kampf nicht noch einmal führen müssen.
Für die Ukrainerinnen und Ukrainer geht es um alles. Deswegen widerstehe ich der Versuchung, auf das andere näher einzugehen; denn es geht hier um viel, viel mehr, um viel, viel Größeres. Es geht um die Freiheit und die Sicherheit von über 40 Millionen Ukrainerinnen und Ukrainern. Es geht um die Integrität ihres Landes, ihre demokratischen Werte, ihre freiheitliche und selbstbestimmte Zukunft. Schon vor zehn Jahren haben russische Soldaten diese gewaltsam angegriffen, indem sie auf der Krim einmarschierten und sie schließlich völkerrechtswidrig annektierten.
Als im Winter vor etwa zehn Jahren Hunderttausende Menschen auf dem Maidan in Kiew für eine freie und selbstbestimmte Ukraine demonstrierten und viele starben, hätten die wenigsten es für möglich gehalten, dass zehn Jahre später immer noch und ein noch schlimmerer brutaler Krieg gegen ihr Land geführt wird.
Lieber Herr Gysi, wenn Sie sich allen Ernstes hierhinstellen und die Intervention der Nato und Europas in Serbien als Blaupause, als Rechtfertigung für Putin in diesem Zusammenhang darstellen, kann ich nur sagen: Sie sollten sich schämen.
Das ist ein Krieg, über dessen Beginn alleine ein imperialer Herrscher in Moskau entschieden hat, ein Krieg, der inzwischen seit über 700 Tagen andauert, der Zehntausende unschuldige Menschenleben gekostet hat und der die Schicksale von ganzen Generationen prägen wird, ein Krieg, den Putin eben mal so von einem Tag auf den anderen beenden könnte, indem er seine Truppen aus den besetzten Gebieten bedingungslos zurückzieht.
Putins Russland ist und wird auf absehbare Zeit die größte Sicherheitsbedrohung für Europa bleiben. Das macht auch dieser Antrag deutlich. Ich betone „Putins Russland“; ich sage ausdrücklich nicht „das russische Volk“.
Moskau wird nicht nur weiter mit allen Mitteln versuchen, die Ukraine von der Karte Europas zu tilgen, Putin und das russische Regime werden auch weiter versuchen, unsere freie Gesellschaft mit Cyberangriffen, mit gezielten Desinformationskampagnen, mit Propaganda in den sozialen Medien zu spalten und zu destabilisieren. Unsere Art, frei, selbstbestimmt und in Demokratie zu leben, ist das eigentliche Feindbild von Putin. Es geht ihm um mehr als die Ukraine. Er hat Angst vor der Bedrohung – nicht durch die Nato oder eine widerstandsfähige Ukraine, sondern davor, dass die freie, demokratische Welt ihm auf die Pelle rückt und sein Regime, seine Macht gefährdet.
Wie wir auf diese russische Bedrohung und den russischen Krieg in der Ukraine antworten, wird das Leben zukünftiger Generationen prägen, auch in diesem Land. Deswegen müssen wir heute und auch in Zukunft alles daransetzen, uns dieser Bedrohung mit aller Kraft entgegenzustellen.
Das tun wir, indem wir die tapferen Ukrainerinnen und Ukrainer in ihrem Freiheitskampf, in ihrem Überlebenskampf unterstützen – mit Panzern, mit Waffensystemen und Munition, mit Ausbildung und vielem mehr. Allein für das laufende Jahr sind Ausgaben in Höhe von sieben Milliarden Euro geplant, und wir werden nicht nachlassen.
Herr Kollege Hardt, ob das den Taurus umfasst, kann ich nicht beantworten. Ich habe den Antrag gelesen; die Antragsteller werden sich ihren Teil dabei gedacht haben. Ich bin nicht Mitglied der Fraktion. Ich will Ihnen mal eins sagen: Wenn Sie auf der Münchner Sicherheitskonferenz unterwegs sind, auf den Verteidigungsministertreffen in Brüssel, bei der Nato, bei Shangri-La oder bei anderen internationalen Begegnungen, dann hören Sie immer wieder: dass Deutschland Bewunderung erfährt für das, was es für den Kampf der Ukraine leistet; dass Deutschland bewundert wird für die Konsequenz, mit der es nach anfänglicher Zögerlichkeit Fahrt aufgenommen hat. Und es ist so typisch für uns: In aller Welt werden wir bewundert für unsere Leistungsfähigkeit, und hier redet uns die Opposition in Grund und Boden. Vielen Dank dafür!
Vergangene Woche haben wir mit der Ukraine eine Sicherheitsvereinbarung beschlossen, die noch einmal unsere dauerhafte militärische Unterstützung für die nächsten Jahre unterstreicht. Aber die Unterstützung der Ukraine ist das eine. Das andere ist unsere eigene Verteidigungsfähigkeit und Sicherheit. Unsere gemeinsame Sicherheit kostet. Und, ja, wer von uns würde nicht lieber in Zeiten leben, in denen es nicht nötig wäre, viel Geld für Waffen auszugeben? Aber der Kanzler hat es am Wochenende bei der MSC auf den Punkt gebracht: „Ohne Sicherheit ist alles andere nichts“.
Ich erinnere an die Worte von Präsident Selenskyj auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Er sagte: Wir in der Ukraine hatten 2014 die Zeichen der Zeit erkannt und haben uns vorbereitet auf das, was dann acht Jahre später tatsächlich passierte. Nur deswegen und dank der Unterstützung aus dem Westen konnten wir bis heute so erfolgreich standhalten. Und er hat gesagt: Diese Zeit hat Europa jetzt nicht.
Wir reden über eine Zeitspanne von ich weiß nicht wie vielen Jahren. Aber das spielt keine Rolle, weil wir jetzt alles tun müssen, um Abschreckung und Verteidigungsfähigkeit, um Kriegstüchtigkeit zu gewährleisten. Denn genau darum geht es. In einem Krieg, der gegen uns geführt werden könnte, bestehen zu können, das ist die Herausforderung. Es nützt uns nichts, wenn wir das „sugarcoaten“, wie man so schön sagt.
Deswegen ist jetzt die Zeit, dafür zu sorgen, dass unsere zukünftigen Generationen in Freiheit und in Sicherheit leben können, indem wir in unsere Sicherheit und in die unserer Partner investieren: mit unserem Engagement in der Nato, in der Europäischen Union, mit unserer dauerhaften Stationierung einer Brigade in Litauen und mit unseren nationalen Verteidigungsausgaben. Und es wird kein Weg daran vorbeiführen, dass wir diese auch langfristig erhöhen müssen.
Gleichzeitig müssen wir mehr oder wieder darüber sprechen, was es für jede und jeden Einzelnen bedeutet, mehr für unsere eigene Sicherheit zu tun. Es bedeutet, dass wir mit den Menschen in unserem Land über diese Themen sprechen, ohne Alarmismus, aber mit klaren Worten, mit Ehrlichkeit. Ich bin überzeugt: Nur wenn unsere Gesellschaft versteht, was es bedeutet, unsere eigene Sicherheit zu stärken als Garant dafür, in Freiheit zu leben, wie wir es wollen, nur dann kann sie auch aktiv dazu beitragen.
Für ein Leben in Frieden, Freiheit und Demokratie kämpft die Ukraine einen tapferen Kampf. Aber dafür müssen auch wir als Bundesrepublik Deutschland stehen, als größter Nato-Partner in Europa. Wir tragen gemeinsam die Verantwortung dafür, dafür zu sorgen, dass auch zukünftige Generationen ein friedliches und freies Leben hier bei uns führen können.
Vielen Dank.
Bulletin 16-2 vor dem Bundestag