Darauf zielt eine lange erwartete Verteidigungsstrategie ab, die die EU-Kommission am Dienstag in Brüssel vorgestellt hat. "Wir müssen mehr Verantwortung für unsere eigene Sicherheit übernehmen", mahnte Vizekommissionspräsidentin Margrethe Vestager - und zwar unabhängig davon, ob Donald Trump erneut US-Präsident werde. Dieser hatte gedroht, die Europäer im Fall eines Wahlsiegs im November nicht mehr zu verteidigen.
Deutlich mehr Waffen "Made in Europe" und eine stärkere Unabhängigkeit von internationalen Rüstungsproduzenten wie den USA und Südkorea sind Kern der neuen Strategie, die Vestager nun zusammen mit Binnenmarktkommissar Thierry Breton und dem EU-Außenbeauftragten Josep Borrell vorstellte. Seit Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine vor gut zwei Jahren hätten die EU-Länder 70 Prozent der an Kiew gelieferten Waffen in den USA gekauft, hieß es in Brüssel.
Dennoch blieben die Europäer "voll und ganz der Nato treu", versicherte Vestager nach Kritik aus der transatlantischen Allianz an den Plänen: "Eine verbesserte Handlungsfähigkeit wird uns zu einem stärkeren Verbündeten machen", betonte die Dänin.
Der Gesetzesvorschlag für ein Europäisches Verteidigungsindustrie-Programm (European Defense Industry Programme, Edip) setzt den Mitgliedsländern deutlich höhere Zielmarken als bisher: Bis 2030 sollen sie "mindestens 50 Prozent ihres Beschaffungsbudgets für Verteidigung innerhalb der EU" ausgeben, bis 2035 sollen es bereits 60 Prozent sein.
Zudem sollen die EU-Staaten bis 2030 mindestens 40 Prozent ihrer Verteidigungsausrüstung gemeinsam beschaffen. Bereits 2007 hatte sich die EU dafür ein freiwilliges Ziel von 35 Prozent gesetzt, das die 27 Länder ungeachtet des russischen Angriffskriegs in der Ukraine jedoch derzeit weit verfehlen.
"Wir geben dreimal so viel für Verteidigung aus wie Russland", kritisierte der auch für Verteidigung zuständige Binnenmarktkommissar Breton. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ergänzte im Onlinedienst X, die Mitgliedsländer sollten nicht zwangsläufig mehr ausgeben, sondern bei den Verteidigungsausgaben "besser, abgestimmt und europäisch" vorgehen.
Breton erneuerte zugleich seine Forderung nach einem europäischen Verteidigungsfonds im Umfang von 100 Milliarden Euro. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hatte einem mit Gemeinschaftsschulden finanzierten Instrument mehrfach eine Absage erteilt. Breton verwies dagegen auf die Unterstützung des französischen Präsidenten Emmanuel Macron sowie das positive Echo aus Ländern wie Belgien und Estland.
Die Finanzierung des nun vorgeschlagenen Rüstungsindustrieprogramms ist auch wegen deutscher Bedenken deutlich bescheidener angesetzt. Die EU-Kommission schlägt Subventionen von zunächst 1,5 Milliarden Euro aus dem EU-Haushaltsrahmen bis 2027 vor sowie einen Wegfall der Mehrwertsteuer bei der gemeinsamen Beschaffung von Waffen. Dies reiche zwar bei weitem nicht aus, räumte Vestager ein. Das Geld könne jedoch als Anreiz für Investitionen der Mitgliedsländer dienen.
Die Ukraine soll "quasi wie ein Mitgliedsland" in die Rüstungspläne eingebunden werden, wie ein EU-Beamter sagte. Als Modell dafür soll die Zusammenarbeit bei der Artilleriemunition dienen, wo es bereits seit fast einem Jahr eine gemeinsame Beschaffungsinitiative gibt.
Die Munitionspläne liefen allerdings ins Leere. Die EU kann der Ukraine bis zum Stichtag Ende März nur rund ein Drittel der versprochenen eine Million Geschosse liefern, wie der EU-Außenbeauftragte Borrell bekräftigte. "Wir hatten uns eine stärkere Beteiligung der Mitgliedsländer erhofft", gab der Spanier zu.
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