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Nawalny im Interview "Wenn sie mich töten würden, würde das nichts ändern"

Knapp drei Wochen nach dem Tod des Kreml-Kritikers Alexej Nawalny ist ein Gespräch mit dem russischen Oppositionellen aus dem Jahr 2020 veröffentlicht worden.

Nawalny

. "Wenn sie mich töten würden, würde das nichts ändern, denn es gibt andere Personen, die bereit sind, mich zu ersetzen", sagte Nawalny in dem am 17. Dezember 2020 in Berlin geführten Gespräch mit dem französischen Politiker Jacques Maire. 

"Es gibt Millionen von Menschen, die nicht in einem Land leben wollen, in dem die ganze Macht in einer Hand liegt", sagte Nawalny. "Mindestens die Hälfte des Landes will, dass Russland ein normales europäisches Land ist." 

Eine Videoaufnahme von dem Treffen mit Maire, der damals Berichterstatter der Parlamentarischen Versammlung des Europarats war, wurde am Mittwochabend erstmals von der französischen Zeitung "Libération" und dem Sender LCI veröffentlicht. 

Nawalny äußerte sich in dem Gespräch über die jahrelange Verfolgung durch den russischen Geheimdienst, seine Vergiftung und die Rolle von Kreml-Chef Wladimir Putin sowie über seine bevorstehende Rückkehr nach Russland. 

Nawalny war im August 2020 in Sibirien mit dem Nervengift Nowitschok vergiftet worden und ins Koma gefallen. Er wurde anschließend nach Deutschland gebracht in der Berliner Universitätsklinik Charité behandelt. 

Einen Monat nach dem Gespräch mit Maire kehrte Nawalny trotz seiner drohenden Festnahme nach Russland zurück. Er habe "keine Ahnung", was mit ihm geschehen werde nach seiner Rückkehr nach Russland, sagte er damals. "Werde ich am Flughafen verhaftet werden? (...) Vielleicht komme ich an und sie warten, bis sich alles beruhigt hat, und verhaften mich dann. Oder vielleicht auch nicht." 

Tatsächlich wurde Nawalny direkt nach seiner Landung am 17. Januar 2021 in Moskau festgenommen. Zwei Wochen später wurde er zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt, im August 2023 folgte eine weitere Verurteilung zu 19 Jahren Haft. 

In dem Gespräch mit Maire berichtete Nawalny über die Untersuchung durch deutsche Ärzte in Omsk, nachdem er aufgrund seiner Vergiftung während eines Flugs von Sibirien nach Moskau das Bewusstsein verloren hatte. Die Mediziner seien vom FSB auf die Intensivstation des Krankenhauses geschleust worden und hätten bestätigt, dass er transportfähig sei. Von russischer Seite sei dies aber zunächst dementiert worden. "Eine hollywoodreife Geschichte", sagte Nawalny.

Nachdem Russland schließlich seiner Verlegung nach Berlin zugestimmt habe, sei er "vollkommen nackt" nach Deutschland ausgeflogen worden. "Meine gesamte Kleidung - Schuhe, T-Shirt, Jeans und Unterwäsche - wurde beschlagnahmt", erinnerte sich Nawalny. Die Rückgabe der Kleidung, die als Beweisstücke hätten dienen können, sei verweigert worden. 

Das Gespräch mit Nawalny drehte sich auch um seine jahrelange Beschattung durch den russischen Geheimdienst FSB. "Plötzlich fingen sie an, mich bei jeder Reise zu verfolgen", sagte der Oppositionspolitiker. 

Seine Vergiftung mit Nowitschok im August 2020 habe dazu gedient, Angst zu verbreiten, sagte Nawalny. "Es ist erschreckend. Die Menschen fangen einfach an, Angst zu haben." Der Kreml-Kritiker fügte hinzu: "Putin persönlich genießt den Gedanken, dass die Menschen Angst vor seiner dunklen Macht haben." Nawalny machte damals Putin für die Vergiftung verantwortlich, der Kreml dementierte. 

"Ich bin mit vollkommen sicher, das war ein direkter Befehl Putins", betonte der Oppositionelle in dem im Dezember 2020 aufgezeichneten Gespräch. Darin berichtete er auch über zwei weiterer Giftanschläge im Jahr 2018 und im Juli 2020.

Der 47-jährige Nawalny war nach Angaben der russischen Behörden am 16. Februar in einem russischen Straflager in der Arktis gestorben, wo er eine 19-jährige Haftstrafe absaß. Den russischen Angaben zufolge starb Nawalny eines "natürlichen Todes", die genauen Umstände sind allerdings weiter unklar. Seine Anhänger und zahlreiche westliche Politiker machen die russische Führung und Kreml-Chef Putin für den Tod des Oppositionellen verantwortlich.

bfi/ju AFP