Erstmals seit fast drei Jahrzehnten ist Chinas Wirtschaft geschrumpft: Wegen der Corona-Krise sank das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in den ersten drei Monaten des Jahres gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 6,8 Prozent, wie die nationale Statistikbehörde am Freitag in Peking mitteilte. Analysten schätzen das Minus sogar noch höher und warnen, so schnell werde eine Erholung wegen fehlender Nachfrage auf dem Weltmarkt nicht einsetzen.
Der Rückgang des BIP im ersten Quartal ist der stärkste seit Beginn der Veröffentlichung von Quartalszahlen seitens der chinesischen Führung Anfang der 90er Jahre. Im letzten Quartal 2019 war das BIP offiziellen Angaben zufolge noch um sechs Prozent gewachsen. Von AFP befragte Analysten hatten den Rückgang vor kurzem sogar auf minus 8,2 Prozent geschätzt.
Auf das Gesamtjahr gesehen, hat China seit 1976, dem Todesjahr von Parteiführer Mao Zedong, noch nie ein Minus verzeichnet. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hatte vor wenigen Tagen prognostiziert, 2020 werde die chinesische Wirtschaft lediglich um 1,2 Prozent zulegen - im kommenden Jahr dann aber um 9,2 Prozent. Die Führung in Peking hat, anders als in anderen Jahren, noch kein Wachstumsziel für 2020 ausgegeben.
Die ersten Fälle der neuartigen Lungenkrankheit Covid-19 waren Ende Dezember in der zentralchinesischen Provinz Hubei mit der Hauptstadt Wuhan bekanntgeworden. Ende Januar verhängte die Führung in Peking weitreichende Einschränkungen: Die wirtschaftliche Aktivität der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt kam zwischenzeitlich weitgehend zum Erliegen. Hunderte Millionen Chinesen mussten im Kampf gegen eine Ausbreitung des Virus zu Hause bleiben. Inzwischen fährt die chinesische Wirtschaft langsam wieder hoch.
Der Sprecher der chinesischen Statistikbehörde, Mao Shengyong, sagte in Peking: "Wir spüren jetzt wachsenden Druck, importierte Infektionen von außerhalb zu verhindern, als auch neue Schwierigkeiten und Herausforderungen bei der Wiederaufnahme der Arbeit und der Produktion." Doch wenn die Corona-Pandemie unter Kontrolle gebracht werden könne, "dann sollte die zweite Jahreshälfte besser sein als die erste".
Es gibt Anzeichen einer Aufwärtsentwicklung. Die Industrieproduktion, die im Januar und Februar noch um 13,5 Prozent gefallen war, ging im März nur um 1,1 Prozent zurück. Analyst Julian Evans-Pritchard von Capital Economics rechnet im zweiten Quartal von April bis Juni mit einem wieder wachsenden BIP.
Der Analyst erwartet allerdings, dass die Volkswirtschaft auch weiter mit großen Problemen zu kämpfen haben wird: hohe Arbeitslosigkeit, schwache Inlandsnachfrage und schwache Nachfrage nach chinesischen Waren im Ausland, was die Exporte belasten dürfte. Im März waren die chinesischen Ausfuhren um 6,6 Prozent im Vorjahresvergleich gefallen.
Der Staat hat bereits mehrere Hilfsprogramme angekündigt, um Unternehmen und auch die Bürger zu unterstützen. Die Zentralbank senkte die Zinsen, damit die Geschäftsbanken mehr Kredite vergeben. In Wuhan sollen ab Sonntag Einkaufsgutscheine im Gesamtwert von umgerechnet 65 Millionen Euro ausgegeben werden, wie die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua meldete.
ilo/muk
Sébastien RICCI / © Agence France-Presse