Nach dem starken Anstieg der Corona-Zahlen in den vergangenen Wochen betrachtet Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) die Ausbreitung des Virus nunmehr als beherrschbar. Die Zahl der täglichen Neuinfektionen gehe zurück, zudem gesundeten mehr Menschen, als sich ansteckten, sagte Spahn am Freitag in Berlin. Auch der Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, sprach von "wirklich guten Zwischenergebnissen".
Es sei gelungen, von einem dynamischen Anstieg der Infektionszahlen zu einem linearen zu kommen, sagte Spahn. "Der Ausbruch ist Stand heute beherrschbar und beherrschbarer geworden." Er betonte zugleich: "Deutschland steht im internationalen Vergleich gut da."
Wieler warnte angesichts der guten Entwicklung vor übertriebenem Optimismus. Es handle sich um eine Momentaufnahme. "Wir stehen immer noch am Anfang der Pandemie", betonte der RKI-Präsident. Deutschland habe eine "erste Welle ganz gut überstanden". Das Virus aber sei nicht verschwunden und werde weiterhin zu Infektionen führen.
Die strikte Eindämmung von Krankheitsausbrüchen bleibe daher zentral, sagte Wieler. Es sei weiterhin dringend erforderlich, "Infektionsketten zu brechen".
Dem RKI zufolge ging die für die Beurteilung der Infektionsdynamik wichtige sogenannte Reproduktionszahl inzwischen im Schnitt auf einen Wert von 0,7 zurück. Das bedeutet, dass ein Infizierter während der Zeit seiner Erkrankung nach den aktuellen Daten statistisch weniger als einen weiteren Menschen ansteckt.
Die Reproduktionszahl sei aber nur eine von verschiedenen relevanten Kennziffern, mahnte Wieler. Zudem gebe es regionale Unterschiede. Die Zahl dürfe nicht überbewertet werden.
Nach Angaben des RKI stieg die Zahl der Corona-Toten zuletzt weiter an. Laut amtlichen Meldezahlen erhöhte sie sich von Donnerstag auf Freitag um 299 auf inzwischen 3868. Damit liegt der Anteil der tödlichen Verläufe an den gemeldeten Infektionen bei 2,9 Prozent. Die Zahl der gemeldeten Corona-Fälle in Deutschland liegt derzeit bei 134.000.
Der Anstieg der Todesfälle hat laut RKI damit zu tun, dass es nach einer Ansteckung rund zehn bis 14 Tage dauert, bis die Krankheit ausbricht und unter Umständen einen schweren Verlauf nimmt. Auch die Zahl der infizierten Mitarbeiter im Gesundheitssektor steigt demnach, zuletzt um sechs Prozent. Wieler zufolge entfallen etwa fünf Prozent aller gemeldeten Fälle derzeit auf diesen Bereich.
Spahn stellte sich ausdrücklich hinter die Empfehlung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und den Ministerpräsidenten, beim Einkaufen und im öffentlichen Nahverkehr einfache Alltagsmasken zu tragen. Der Gesundheitsminister setzt dabei eher auf Freiwilligkeit, als eine Pflicht. "Mein Eindruck ist, dass die meisten Bürger sehr verantwortungsvoll damit umgehen."
Bislang sei zudem das Gesundheitswesen zu keinem Zeitpunkt überfordert gewesen, fügte Spahn hinzu. Er sprach sich dafür aus, die in den Krankenhäusern eingeführten Beschränkungen allmählich zu lockern. Wegen der Pandemie waren die Krankenhäuser aufgefordert worden, aufschiebbare Operationen vorerst nicht vorzunehmen.
Es solle nun eine "neue Normalität" in den Kliniken geben, sagte Spahn. Zunächst sollten 25 Prozent der Intensiv- und Beatmungsbetten für Corona-Patienten freigehalten werden, "um dann Schritt für Schritt immer genauer in der Steuerung zu werden".
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