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Interview mit Dr.Volker Wissing, FDP-Präsidiumsmitglied und Bundesminister für Digitales ud Verkehr

Die Fragen stellten Tobias Schmidt und Jonas E. Koch:

Frage: Herr Minister, in der EU dürfen ab 2035 keine neuen Benzin- und Dieselfahrzeuge mehr verkauft werden. EVP-Chef Manfred Weber (CSU) will das Verbrennerverbot jetzt wieder kippen. Sie auch?

Wissing: Das entbehrt nicht einer gewissen Ironie… Besser wäre es gewesen, die Union hätte das Verbrenner-Verbot gar nicht erst vorangetrieben, als sie regiert hat. Die FDP hat vergangenes Jahr dafür gesorgt, dass Verbrenner, die nachweislich nur mit E-Fuels oder Wasserstoff angetrieben werden, erlaubt bleiben.

Frage: Aber keine Benziner und Diesel…

Wissing: Die Union und CDU-Kanzlerin Angela Merkel haben ein Klimaschutzgesetz beschlossen, das uns zur Stilllegung von sechs Millionen Autos zwingen würde, wenn die starren CO2-Minderungsvorgaben für den Verkehrsbereich nicht geändert werden. Obwohl wir insgesamt unsere Klimaschutzziele einhalten. Und jetzt will die Union auch nach 2035 noch neue Benziner und Diesel zulassen? Die dürften dann wegen der von der CDU beschlossenen Klimaschutzauflagen gar nicht mehr auf deutschen Straßen fahren! Vor der Europawahl zu erzählen, das Verbrenner-Verbot gehöre abgeschafft, ist ein recht billiger Versuch der Union, die Menschen hinter die Fichte zu führen. Ein Beitrag, um klimaneutrale Mobilität zu sichern, ist es nicht.

Frage: Also bleibt es beim Zulassungsverbot für Diesel und Benziner in zehn Jahren?

Wissing: Der Bundestag muss zunächst schnell das Klimaschutzgesetz der Vorgängerregierung ändern, damit wir keine Pkw stilllegen müssen und die Menschen, die auf ihr Auto angewiesen sind, mobil bleiben. Parallel müssen wir es schaffen, CO2-freie Mobilität bezahlbar zu machen. Denn am Ziel, bis 2045 klimaneutral zu werden, kann niemand mit Verstand rütteln. Für Pkw braucht es mehrere Antriebe: Elektro, Wasserstoff und E-Fuels.

Frage: Es gibt doch noch gar keine E-Fuels, oder?

Wissing: Synthetische Kraftstoffe werden Teil der Lösung sein, schon allein um Emissionen der Bestandsflotten zu senken. Deshalb kurbeln wir die Produktion weltweit an, worum sich die CDU übrigens überhaupt nicht gekümmert hat. Dass jetzt in der EU erwogen wird, die Nutzung von E-Fuels für Autos zu verbieten, ist irrational. Denn klar ist, wenn wir keinen Markt dafür schaffen, wird niemand in die Produktion investieren. Daher darf es keine Anwendungsverbote geben.

Frage: Wird die E-Mobilität zum Rohrkrepierer?

Wissing: Wir haben den Klimawandel mit seinen schon jetzt verheerenden Folgen bei uns und auf der ganzen Welt. Ich war gerade in der Mongolei. Dort sind drei Millionen Weidetiere elendig verendet, die nicht an Futter kamen, weil es wegen höherer Temperaturen mehr Schneefall gab und damit die Schneedecke zu dick für die Tiere war. Wir müssen die Erderwärmung aufhalten. Und die E-Mobilität wird einen wichtigen Beitrag leisten, um den Verkehr CO2-neutral zu machen.

Frage: Dafür sind E-Autos noch viel zu teuer. Oder hoffen Sie auf Billig-Stromer aus China?

Wissing: Nein. Wir können unsere Probleme nicht mit subventionierten Produkten aus dem Ausland lösen, sondern wir müssen es als Industriegesellschaft schaffen, unsere Bedarfe selbst zu decken. Erschwingliche E-Autos müssen in Deutschland gebaut werden, auch das gehört dazu, um die nationale Souveränität zu stärken. Die Corona-Pandemie und der Ukraine-Krieg haben allzu deutlich gezeigt, wie gefährlich es ist, wenn wir bei der Bereitstellung von Grundbedürfnissen vom globalen Handel abhängig sind. Das gilt auch für das Grundbedürfnis nach Mobilität. Deswegen müssen die deutschen und europäischen Autobauer schnell Elektroautos in Europa herstellen, die sich auch Normalverdiener leisten können. Das ist nicht Aufgabe des Staates, sondern ureigene Aufgabe der Unternehmen. Und da scheint es ja mittlerweile auch angekommen zu sein. Daneben brauchen wir Alternativen zum E-Auto, damit mehr Preisdruck entsteht. Konkurrenz sorgt für bessere Angebote. Wir brauchen den Wettbewerb klimafreundlicher Antriebe.

Frage: Braucht es EU-Strafzölle auf importierte E-Autos, um heimische Autobauer zu schützen?

Wissing: Nein, ich halte nichts von Strafzöllen für chinesische E-Autos. Wir wollen den Markt nicht abschotten, sondern uns im globalen Wettbewerb messen und auch unsere Fahrzeuge auf der ganzen Welt verkaufen. Durch weniger Wettbewerb werden Elektroautos nicht preiswerter. Statt Strafzöllen sind Handelsabkommen der richtige Weg, um fairen Wettbewerb zu schaffen.

Frage: Die Verkehrswende ist Teil der Energiewende, weg von fossiler zu CO2-freier Energie. Muss sich die Ampel angesichts des stockenden Windkraft- und Netzausbaus nicht ehrlich machen und sagen: Wir brauchen dafür auch Atomkraft?

Wissing: Wir müssen uns mit der Frage beschäftigen, wie wir unseren Energiebedarf so decken, dass wir international wettbewerbsfähig bleiben. Wir müssen in dieser Frage europäisch denken. Wir leiden derzeit massiv unter einer Politik der CDU, die die Kernenergie abgeschaltet und russisches Gas bestellt hat.

Frage: Das sind Fehler der Vorgängerregierungen. Aber wie geht es jetzt weiter? Müssen wir die Atomkraft in Deutschland wiederbeleben und auch neue Meiler bauen?

Wissing: Viele Länder tun das, auch in Europa. Wir müssen jetzt erst einmal dafür sorgen, dass wir mit dem Ausbau regenerativer Energien vorankommen. Und ich würde mir sehr wünschen, dass wir eine einheitliche Energiepolitik mit Frankreich erreichen.

Frage: Was heißt das konkret?

Wissing: Ich halte es in so fundamentalen Fragen für richtig, einen einheitlichen europäischen Weg einzuschlagen und nicht einen völlig anderen Pfad als unsere Nachbarn zu beschreiten. Wenn wir die gesamte verfügbare regenerative Energie für die Produktion synthetischer Kraftstoffe nutzen würden, würde das momentan nur für eine große deutsche Airline reichen. Für keine andere Fluggesellschaft und auch für nichts sonst. Das zeigt doch, dass das so nicht aufgehen kann. Dass synthetische Kraftstoffe, die mit französischer Kernenergie erzeugt werden, als klimaneutral anerkannt werden, sollte daher beispielsweise eine Selbstverständlichkeit sein. Wenn wir uns nicht erneut in Energieabhängigkeiten begeben wollen, muss Europa einen gemeinsamen Weg gehen.

FDP