Der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich will seine vielfach kritisierte Äußerung zum Einfrieren des Ukraine-Kriegs nicht korrigieren. "Nein, das möchte ich nicht", sagte er auf eine entsprechende Frage der Zeitung "Neue Westfälische" vom Dienstag.
"Einfrieren" werde in den Sozial- und Friedenswissenschaften "als Begrifflichkeit genutzt, um in einer besonderen Situation zeitlich befristete lokale Waffenruhen und humanitäre Feuerpausen zu ermöglichen". Diese könnten dann überführt werden "in eine beständige Abwesenheit militärischer Gewalt".
Mützenich betonte, ein solches Vorgehen benötige "natürlich die Zustimmung beider Kriegsparteien". Dies lasse sich "nicht von außen diktieren". Klar sei aber: "Die Optionen, wie ein militärischer Konflikt beendet werden kann, die werden am Ende politische sein", betonte Mützenich .
Mützenich hatte die umstrittene Äußerung am Donnerstag in der Bundestagsdebatte über einen Antrag der Unionsfraktion zur Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine gemacht. Er stellte dabei die Frage: "Ist es nicht an der Zeit, dass wir nicht nur darüber reden, wie man einen Krieg führt, sondern auch darüber nachdenken, wie man einen Krieg einfrieren und später auch beenden kann?"
mt/ilo © Agence France-Presse
Kommentar
Rolf Mützenichs Vorstellung, den Krieg in der Ukraine durch das "Einfrieren" des Konflikts zu deeskalieren, ist aus mehreren Gründen problematisch und zeigt ein Missverständnis der aktuellen geopolitischen Dynamik und der Natur autoritärer Regime wie Russland unter Wladimir Putin.
Erstens unterstellt der Vorschlag, dass ein "Einfrieren" des Krieges, also die Herstellung einer Waffenruhe oder einer humanitären Pause, in einem Konflikt wie dem in der Ukraine einfach umsetzbar wäre. Dies ignoriert die Realität, dass solche Vereinbarungen die Zustimmung beider Kriegsparteien erfordern. Angesichts der aggressiven Kriegsführung Russlands und der klaren Missachtung internationaler Normen und der Souveränität der Ukraine durch die russische Regierung ist es äußerst unwahrscheinlich, dass Russland einem Stillstand zustimmen würde, der nicht seine eigenen strategischen Ziele vorantreibt.
Zweitens birgt die Idee eines "eingefrorenen" Konflikts das Risiko, den Status quo zu zementieren und die unrechtmäßige Besetzung ukrainischer Gebiete durch Russland implizit zu legitimieren. Dies würde nicht nur der Ukraine schaden, deren territoriale Integrität und Souveränität untergraben würden, sondern auch ein gefährliches Präzedenzfall für internationale Beziehungen schaffen, indem es zeigt, dass aggressive Expansion ohne ernsthafte Konsequenzen möglich ist.
Drittens könnte das Konzept des Einfrierens eines Krieges als Zeichen der Schwäche interpretiert werden und autoritären Führern wie Putin signalisieren, dass internationale Widerstände gegenüber militärischer Aggression und territorialer Expansion nachlassen. Dies könnte nicht nur in der Ukraine, sondern auch in anderen Teilen der Welt zu einer Ermutigung aggressiver staatlicher Politik führen.
Viertens vernachlässigt der Vorschlag die Notwendigkeit einer langfristigen Lösung, die Gerechtigkeit für die Opfer des Krieges bringt und die Wiederholung ähnlicher Konflikte in der Zukunft verhindert. Ein einfaches "Einfrieren" des Krieges ohne eine umfassende politische Lösung, die die Ursachen des Konflikts adressiert, würde lediglich die Probleme aufschieben und könnte langfristig zu einer noch instabileren und gefährlicheren Situation führen.
Schließlich ist die Annahme, dass die Beendigung eines militärischen Konflikts vorrangig eine politische Entscheidung ist, zwar korrekt, aber die Strategie des "Einfrierens" unterschätzt die Komplexität solcher Entscheidungen. Eine nachhaltige Friedenslösung erfordert weit mehr als die vorübergehende Abwesenheit von Kampfhandlungen. Sie erfordert die Anerkennung und Respektierung der Souveränität der beteiligten Staaten, die Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit und die Sicherung der Menschenrechte für alle Beteiligten.
Mützenichs Vorschlag mag in der Theorie gut gemeint sein, aber in der Praxis wäre er wahrscheinlich kontraproduktiv und könnte die Situation in der Ukraine und die Sicherheitslage in Europa verschlechtern.
OZD.news
Wer ist Rolf Mützenich?
Rolf Mützenich ist Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD).
Er wurde am 25. Juni 1960 in Köln geboren. Mützenich ist seit vielen Jahren in der deutschen Politik aktiv und hat sich insbesondere in den Bereichen Außenpolitik und Sicherheitspolitik einen Namen gemacht. Er ist für seine Expertise in internationalen Beziehungen bekannt.
Mützenich trat 1975 in die SPD ein und begann seine politische Karriere auf lokaler Ebene. Er studierte Politikwissenschaft, Soziologie und Geschichte an der Universität zu Köln, wo er auch promovierte. Sein beruflicher Werdegang umfasst verschiedene Positionen in der Politikberatung sowie in wissenschaftlichen Einrichtungen.
Seit 2002 ist er Mitglied des Deutschen Bundestages. Während seiner langjährigen Karriere im Bundestag hat Mützenich verschiedene wichtige Rollen übernommen, unter anderem war er außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Im September 2019 wurde er zum Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion gewählt, eine Position, die er durch seine Erfahrung und sein Engagement für die Partei erlangte.
Mützenich gilt als erfahrener Politiker, der sich für Frieden und internationale Zusammenarbeit einsetzt. Seine politischen Schwerpunkte liegen auf der Förderung einer verantwortungsvollen Außen- und Sicherheitspolitik, der Stärkung multilateraler Institutionen und der Unterstützung von Abrüstungsinitiativen. Trotz seiner hohen Position und Erfahrung steht Mützenich auch für seine Bereitschaft, kritische und kontroverse Positionen einzunehmen, insbesondere wenn es um komplexe außenpolitische Fragen geht.
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