Was vor einigen Tagen an Mitmenschen verbrochen wurde ist mit Worten nicht zu beschreiben und mit nichts zu entschuldigen. Eigentlich sind alle Versuche dies zu tun nur Beweise für unsere tiefe Schuld, die wir an der Ungerechtigkeit und Menschlichkeit auf uns geladen haben.
In Momenten wie diesen, schäme ich mich Mensch zu sein. Ich bekomme Angst vor meiner eigenen Spezies. Nicht weil ich den Tod fürchte, sondern weil ich es nicht ertrage, dass es unschuldige Kinder gibt, die nichts dafür können, dass wir sie durch Egoismus in die Welt gesetzt haben und nun mit der gleichen Selbstsucht ihre Welt zu einem Alptraum gestalten.
Aber was können wir jetzt dagegen tun? Ich denke, dass das ganze Gerede, ähnlich wie dieser Kommentar nur dann eine Daseinsberechtigung hat, wenn wir Handlungen folgen lassen. Dabei geht es nicht um Reden vor der UN oder Demonstrationen. Es geht um das Selbstverständnis eines friedlichen Neben- und Miteinanders. Egal welcher Hautfarbe oder Religion jemand angehört oder sich zugehörig fühlt. Ich heiße Adolf und wurde meine Kindheit hindurch dafür gehänselt, als Nazi oder Führer oder dergleichen. Und genau jene, die mich an einen unberechtigten Pranger stellten, sind heute jene, die AfD wählen oder am Stammtisch nach dem dritten Bier über Ausländer und Juden schimpfen.
Die Digitalisierung, die unser aller Leben so verändert hat, wird sukzessive zu den Geistern, die man damit rief. Bei all dem Hype hat man nämlich vergessen, dass sich nicht nur gute und richtige Nachrichten in Windeseile verbreiten, sondern einfach alles. Respekt vor dem Gegenüber, welches Bedingung für unser eigenes Sein ist. Das Verständnis, dass jeder Gründe für seine Ansichten hat und keiner absichtlich gerne böse ist. Zumindest die allermeisten. Ich bin mir mit meiner Tochter nicht immer einig, manchmal geraten wir sogar aneinander, aber deshalb würde ich sie nie als Arschloch bezeichnen. Ist das nicht eine Basis, auf die man sich auch mit anderen Menschen einigen kann? Zuhören und falsche Handlungen im Keim ersticken. Wenn Kinder, Frauen, körperlich oder geistig Eingeschränkte in der Öffentlichkeit diskreditierend behandelt werden: aufstehen. Auch am Stammtisch, wenn ein leichtfertiges „typisch Ausländer“ oder „scheiß Juden“ fällt. Das kann und darf nicht mal passieren und dass wer auch immer an allem schuld ist, „darf nicht auch mal gesagt werden“.
CDU und SPD et cetera sind weder die gesamte Lösung noch das gesamte Problem, sondern das, was wir als Gedanken in unserm Kopf zulassen. Wir dürfen und sollen uns streiten, aber trotzig wie ein Kind, Extreme oder erst gar nicht zu wählen ist dümmer als jedes Problem was damit angeprangert wird. Es geht nicht um Protest, die Zeit des „ich find' dich scheiße“ ist vorbei. Habermas würde uns die Diskursethik ans Herz legen. Es geht um Konsens, nicht nur aber vornehmlich als Motivation für Diskurse und Diskussionen auf Augenhöhe, die im „worst case“ in einem Kompromiss münden, aber der deshalb akzeptiert werden kann, weil man sich gewiss ist, dass bei der Entscheidung zu dieser Restriktion alle Präferenzen berücksichtigt wurden.
Mich nervt es auch hin und wieder, wenn ich im Bus kein Wort verstehe, weil alle Sprachen nur nicht deutsch gesprochen wird, aber meist stelle ich fest, dass es nicht die Anderen sind, die mich nerven, sondern sie sind nur der Auslöser eines Stressproblems, das schon vorher in meinem Geist Gestalt angenommen hat. Ich denke mittlerweile in solchen Momenten an das „halt die Fresse“ immer noch ein „Adi“ ran, denn noch überflüssiger als schreiende Kinder oder überforderte Eltern sind Klugscheißer wie ich, die, nur weil sie selbst einen Pups quer sitzen haben, der Welt erklären müssen, dass sie daran schuld ist.
Noch können wir auf dem Weg nach Nürnberg alle weiter in die neutrale Schweiz ziehen. Das dauert länger und ist anstrengend, aber am Ende sichert es uns auch das Recht darauf, so sein zu können wie wir sind, denn das ist meist schwieriger zu ertragen, als eine mir unbekannte, ethnische Zugehörigkeit oder religiöse, sexuelle oder sonst wie gestaltete Präferenz.
Denn am Ende, sind wir, trotz aller Unterschiede zu 99 Prozent genetisch gleich. Vielleicht ist genau das das Problem, aber gleichzeitig auch die einzige Hoffnung, dass am Ende alle verstehen: Gemeinsam oder gar nicht.
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