Regierung sieht Sicherheitsbehörden gut gegen islamistische Bedrohung gewappnet
Nach dem Anschlag bei Moskau sieht die Bundesregierung die deutschen Sicherheitsbehörden gut auf mögliche Bedrohungen durch islamistische Anschläge vorbereitet. Die Sicherheitsmaßnahmen seien "bereits hoch", sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums am Montag in Berlin. Schutzkonzepte etwa auch für die Fußball-Europameisterschaft im Sommer würden gleichzeitig kontinuierlich fortentwickelt. Vertreter von Union und der Gewerkschaft der Polizei kritisierten aber unzureichende Ausstattung und Befugnisse der Sicherheitsbehörden.
Bei dem Angriff auf eine Konzerthalle in einem Vorort der russischen Hauptstadt waren am Freitag mindestens 137 Menschen getötet worden. Zu dem Attentat bekannte sich der afghanische IS-Ableger Islamischer Staat Provinz Chorasan (ISPK).
Die Gefährdungseinschätzung der Sicherheitsbehörden habe sich durch das Moskauer Attentat "bislang nicht verändert", sagte der Ministeriumssprecher. Er verwies aber darauf, dass Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) den ISPK als "die größte islamistische Bedrohung in Deutschland" sehe. Die Sicherheitsbehörden seien deshalb "sehr wachsam" und "gut vorbereitet". Dies zeigten auch mehrere Festnahmen in den vergangenen Monaten in diesem Bereich.In Deutschland gibt es keine Terrorwarnstufen wie etwa in Frankreich. Dort hatte die Regierung am Sonntagabend wenige Monate vor den dortigen Olympischen Spielen wegen des Moskauer Anschlags die höchste von drei Alarmstufen ausgerufen.
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Philipp Amthor bezeichnete die Vorbereitung der Bundesregierung auf mögliche Terroranschläge als "schwach": "Unsere Sicherheitsdienste werden schlecht ausgestattet von der Regierung. Ihnen fehlen notwendige Befugnisse", sagte er den Sendern RTL und ntv. In den vergangenen Jahren sei mehr als die Hälfte der in Deutschland vereitelten Terroranschläge nur durch Hinweise von ausländischen Nachrichtendiensten verhindert worden. Amthor forderte insbesondere ein neues Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung, um Internetdaten von Verdächtigen länger zu speichern.
Ähnlich äußerte sich der stellvertretende Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Alexander Poitz. "Dass es bei uns nach dem verheerenden Terroranschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt vor sieben Jahren nicht zu einem erneuten Anschlag gekommen ist, ist ganz wesentlich Hinweisen ausländischer Geheimdienste zu verdanken", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Polizei und Verfassungsschutz fehlten das nötige Personal, die technische Ausrüstung und "erst recht" die rechtlichen Möglichkeiten.
Auch Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) forderte als Konsequenz aus dem Terroranschlag mehr Mittel für die Sicherheitsbehörden: "Die Geheimdienste leisten vorzügliche Arbeit, sind aber durch Islamismus, Rechtsextremismus und Spionage aktuell extrem belastet", sagte Maier dem Nachrichtenportal Politico. "Wir müssen perspektivisch die Dienste materiell und personell besser ausstatten, um die Sicherheit in Deutschland auch in Zukunft lückenlos gewährleisten zu können."
Mit Blick auf die Fußball-Europameisterschaft im Juni und Juli hatte Bundesinnenministerin Faeser im Februar bereits eine Ausweitung der Grenzkontrollen während des Turniers angekündigt. Dies sei bei solchen Großveranstaltungen üblich, sagte der Ministeriumssprecher. Es gebe dafür aber bisher noch keinen genauen Termin. Dies sei noch Gegenstand von Beratungen.
Stationäre Grenzkontrollen gibt es wegen der Migrationslage derzeit bereits zu den Nachbarländern Polen, Tschechien, Österreich und der Schweiz. Sie würden während der Fußball-EM voraussichtlich auf alle Grenzen ausgeweitet.
Der Präsident des Groß- und Außenhandelsverbands BGA, Dirk Jandura, warnte vor überzogenen Sicherheitsmaßnahmen. "Ich würde mir wünschen, dass die Ampelparteien angesichts einer offenbar erhöhten Gefährdungslage jetzt nicht in Populismus und Aktionismus verfallen", sagte er dem "Handelsblatt". Lkw-Staus an den Grenzen wären "ein wahrer Albtraum für die Lieferkette und damit für die Versorgung der Bevölkerung sowie der Wirtschaft". Zudem böten auch Grenzkontrollen oder -schließungen keinen verlässlichen Schutz vor Terror.
mt/hol AFP