Die "Putin-Freunde der AfD" ließen sich für die russische Propaganda einspannen, sagte Innenministerin Nancy Faeser (SPD) dem "Spiegel". Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) nannte Russlands gezielte Einflussnahme am Freitag Teil der Kriegsführung von Kremlchef Wladimir Putin. Die Bundesregierung kündigte an, gemeinsam mit Polen und Frankreich ein Frühwarnsystem gegen Propaganda aus dem Ausland einrichten zu wollen.
Das Aufdecken der groß angelegten Einflussoperation sei ein "wichtiger Schlag gegen den russischen Propaganda-Apparat", sagte Faeser dem "Spiegel" weiter. "Wieder sehen wir das massive Ausmaß der Lügen und der Desinformation, mit dem Putins Regime das Vertrauen in unsere Demokratie erschüttern, Wut schüren und die öffentliche Meinung manipulieren will."
Die tschechische Regierung hatte am Mittwoch über die Enttarnung eines von Moskau finanzierten Propaganda-Netzwerks informiert, das die in Prag ansässige Internetseite "Voice of Europe" nutzte, um in der EU Stimmung gegen die Unterstützung der Ukraine im Krieg gegen Russland zu machen. Dabei soll nach Informationen der tschechischen Zeitung "Denik N" auch Geld an Politiker aus Deutschland, Belgien, Frankreich, Polen, Ungarn und den Niederlanden geflossen sein.
Das Innenministerium in Berlin sprach von einer "illegitimen" Einflussnahme Russlands auf das Europäische Parlament. Dafür würden Politiker verschiedener europäischer Länder benutzt und "erhebliche Geldmittel" zur Verfügung gestellt.
Unter den genannten Politikern befinden sich nach Recherchen des Nachrichtenmagazins "Spiegel" auch zwei Europapolitiker der AfD. Der AfD-Spitzenkandidat für die anstehende Europawahl, Maximilian Krah, ließ über einen Sprecher erklären, er sei zweimal auf der pro-russischen Internetseite aufgetreten, habe dafür aber "selbstverständlich kein Geld bekommen".
Auch mit dem auf Listenplatz zwei stehenden AfD-Politiker Petr Bystron waren auf der Plattform "Voice of Europe" Interviews zu finden, in denen dieser laut "Spiegel" russlandfreundliche Darstellungen verbreitete. Den Vorwurf, dafür Geld angenommen zu haben, bezeichnete Bystron auf Anfrage des Magazins als "Verleumdung".
Bystron erklärte zudem am Freitagnachmittag, die tschechische Zeitung "Denik N" sei eine "Diffamierungsplattform". Er weise die "verleumderischen Vorwürfe" zurück und werde gegen diese rechtlich vorgehen. Die Schließung von "Voice of Europe" sei ein "eklatanter Angriff auf die Pressefreiheit", erklärte Bystron. Jeder, der sich gegen die Fortsetzung des Krieges in der Ukraine ausspreche, werde als "russischer Agent diffamiert".
Der "Spiegel" stellte Verbindungen zwischen den AfD-Politikern Krah und Bystron und dem mutmaßlichen Verantwortlichen der "Voice of Europe"-Plattform, Viktor Mewedtschuk, her. Der ehemalige ukrainische Abgeordnete und Multimillionär gilt als enger Vertrauter des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Während des Krieges in der Ukraine wurde er als Teil eines Gefangenenaustauschs zwischen Kiew und Moskau nach Russland überstellt.
Nach den Recherchen des "Spiegel" sollen Bystron und Krah Medwedtschuk im Jahr 2021 in der ukrainischen Hauptstadt Kiew besucht haben, wo der Putin-Vertraute wegen Hochverratsvorwürfen in Hausarrest saß. Ein in Onlinenetzwerken veröffentlichtes Foto soll den Besuch belegen.
Als Reaktion auf die Enthüllungen um "Voice of Europe" setzte Tschechien sowohl Mewedtschuk als auch den Medienmacher Artem Martschewskyj auf seine Sanktionsliste. Martschewskyj soll für die Inhalte der Plattform verantwortlich gewesen sein und die Kontakte zu europäischen Politikern unterhalten haben.
Außenministerin Baerbock nannte die über "Voice of Europe" verbreitete russische Propaganda ein Beispiel dafür, wie Kremlchef Putin "unsere Demokratie zersetzen will". Den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Freitagsausgaben) sagte sie, der russische Präsident führe seinen Krieg nicht nur mit dem Militär, "sondern auch mit Fake News, Manipulation und gezielter Einflussnahme".
Aus dem Auswärtigen Amt hieß es am Donnerstag, die Bundesregierung richte derzeit gemeinsam mit den Partnern aus Frankreich und Polen ein "Frühwarn- und Reaktionssystem im Hinblick auf Informationsmanipulation und Einflussnahme aus dem Ausland" ein. Der Zusammenhalt Europas sei gerade in Zeiten, in denen ausländische Akteure versuchten, die Grundwerte der liberalen Demokratien Europas zu unterwandern, besonders wichtig. Die Außenministerien in Paris, Warschau und Berlin befänden sich im Hinblick auf ein solches Frühwarnsystem "in enger und intensiver Abstimmung", hieß es.
ju/jes AFP