In der Metropole
Istanbul gingen 26 der 39 Stadtbezirke an die CHP, in der Hauptstadt
Ankara 16 von 25 Bezirken. Auch in Izmir, Adana und Antalya siegten
Bürgermeister der CHP. Während diese Siege nicht überraschend waren,
konnte die Opposition dieses Mal auch mehrere Städte und Provinzen, die
bisher fest in der Hand der AKP waren, für sich gewinnen, darunter die
als erzkonservativ geltende Stadt Bursa und das 2023 vom Erdbeben stark
getroffene Adiyaman.
"Leider haben wir nicht die Ergebnisse erzielt, die wir uns gewünscht haben", sagte Erdogan am Sitz seiner AKP in Ankara vor einer ungewöhnlich stillen Menschenmenge. "Wir werden natürlich die Entscheidung der Nation respektieren."
Kurz zuvor hatte der amtierende Bürgermeister der Metropole Istanbul, Ekrem Imamoglu, seine Wiederwahl verkündet. "Wir stehen an erster Stelle mit einem Vorsprung von mehr als einer Million Stimmen", sagte der CHP-Politiker vor Journalisten. "Wir haben die Wahl gewonnen", fügte er hinzu und erklärte, es seien 96 Prozent der Wahlurnen ausgezählt. "Morgen ist ein neuer Frühlingstag für unser Land."
Die Wahl markiere in der Türkei und das Wiederaufleben der Demokratie", sagte Imamoglu und bezeichnete seinen Sieg als "von großer Bedeutung".
Der 52-Jährige hatte 2019 überraschend die Bürgermeisterwahl in der politisch wichtigen Metropole gewonnen. Vor dem Sitz der Oppositionspartei in Istanbul versammelte sich eine große Menschenmenge. Türkische Flaggen wurden geschwenkt und Fackeln angezündet, um das Ergebnis zu feiern.
In Ankara erklärte sich der amtierende Bürgermeister Mansur Yavas von der CHP ebenfalls zum Wahlsieger. In der CHP-Hochburg und drittgrößten Stadt des Landes Izmir sowie in Antalya im Süden der Türkei feierten nach spektakulären Siegen der CHP die Menschen auf der Straße.
In mehreren Großstädten in Anatolien wie Konya oder Erzurum und an der Schwarzmeerküste - Hochburgen von Erdogan - blieben die AKP-Kandidaten jedoch vorne. In mehreren großen Städten im kurdisch geprägten Südosten der Türkei erzielte die pro-kurdische Partei DEM einen komfortablen Vorsprung, darunter in Diyarbakir.
Beobachter sprachen von der schlimmsten Wahlniederlage Erdogans seit der Machtübernahme seiner Partei im Jahr 2002. Viele machten die hohe Inflation und die drastische Abwertung der Lira im vergangenen Jahr dafür verantwortlich.
Das Ergebnis "kann nur durch die Wirtschaft erklärt werden", schrieb etwa der Journalist Abdulkadir Selvi in der regierungsnahen Zeitung "Hürriyet". Es wehe "ein neuer Wind" durch die Türkei.
Die säkulare regierungskritische Tageszeitung "Sözcü" verkündete eine "Revolution an der Wahlurne", während die große Oppositionszeitung "Cumhuriyet" von einem "historischen Sieg" sprach.
Eine Kandidatur Imamoglus bei der Präsidentschaftswahl 2028 wird damit immer wahrscheinlicher. "Wie werden ein Rennen zwischen Imamoglu und Yavas (...) erleben", kommentierte "Hürriyet"-Journalist Selvi.
"Imamoglu ist Erdogans Gegner bei der nächsten nationalen Wahl", schrieb auch Soner Cagaptay vom Washington Institute im Onlinedienst X. Der Bürgermeister von Istanbul habe "die Chance, Präsident der Türkei zu werden".
Präsident Erdogan, der seit 21 Jahren an der Macht ist, hatte die Rückeroberung des Bürgermeisteramts von Istanbul für seine AKP zu einem Hauptziel der Kommunalwahlen erklärt. Gleichzeitig verkündete er, dass diese Wahlen seine letzten seien. Vor Imamoglus Wahlsieg 2019 war Istanbul 25 Jahre lang in der Hand der AKP und deren Vorgängerparteien gewesen.
Der Verlust des Rathauses in der Wirtschaftsmetropole Istanbul 2019 gilt als eine von Erdogans schlimmsten Wahlniederlagen. Er war selber in den 90er Jahren Bürgermeister der Millionenstadt, bevor er 2003 auf nationaler Ebene an die Macht kam, zunächst als Ministerpräsident und seit 2014 als Präsident. Im vergangenen Jahr wurde Erdogan für ein drittes und nach derzeitigem Recht letztes Mandat im Amt bestätigt. Nach dem Wahldebakel rief Erdogan seine Anhänger auf, die "verbleibenden vier Jahre" nicht zu verschwenden.
kbh/kas
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