Berlin – Die Bundesregierung will das Personal in Arztpraxen und Beratungseinrichtungen für Schwangerschaftsabbrüche sowie die betroffenen Frauen künftig stärker vor Belästigungen von radikalen Abtreibungsgegnern schützen. Der Bundesrat beriet heute in erster Lesung über den Gesetzentwurf aus dem Haus von Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne).
Sie betonte, die Gehsteigbelästigung von Frauen, die sich in einer existenziellen Notlage an eine Beratungsstelle wenden würden, sei „unzumutbar und zu unterbinden“. Schwangere hätten das Recht auf eine unvoreingenommene Beratung.
Es müsse das gemeinsame Ziel sein, Schwangere zu schützen, wenn diese Beratungsstellen, Kliniken oder Arztpraxen aufsuchen würden. Das gelte auch, wenn sie zu der Entscheidung kämen, die Schwangerschaft abzubrechen.
Die Ministerin sagte, es müsse auch das gemeinsame Ziel sein, das Personal zu schützen, das in den Beratungsstellen, in den Kliniken und Arztpraxen arbeite. „Diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind auch viel zu oft Anfeindungen ausgesetzt“, so die Ministerin.
In enger Abstimmung hätten Innen-, Justiz- und Familienministerium den Gesetzentwurf erarbeitet und dabei das „Spannungsverhältnis zwischen den Grundrechten ratsuchender Frauen und das Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit Dritter genau gegeneinander abgewägt“.
Wer Frauen den Zugang zu medizinischer Versorgung oder Beratung erschwere, der behindere das allgemeine Persönlichkeitsrecht von ungewollt schwangeren Frauen. Und wer Beratungsfachkräften und Ärztinnen und Ärzten den Zugang zur Arbeit verwehre, der behindere ihre Berufsausübungsfreiheit, sagte Paus.
Silvia Breher (CDU) stellte sich zwar hinter die Ziele, sah den Gesetzentwurf aber als unzureichend an. Zum einen greife bereits der Tatbestand der Nötigung in solchen Fällen. Darüber hinaus werde das Gesetz es nicht schaffen, die oft subtilen Belästigungen zu verhindern. Breher bemängelte aber vor allem, dass die Regierung als Grund für die Reform eine Zunahme von Belästigungen durch Abtreibungsgegner anführe, diese aber nicht mit Zahlen untermauern könne.
Josephine Ortleb (SPD) stellte sich hinter den Entwurf. Das, was vor Beratungsstellen und Praxen und Kliniken passiere sei „keine Meinungsäußerung, sondern eine reine Belästigung“, sagte sie. Gehsteigbelästigungen seien auch für die Mitarbeitenden „eine Zumutung“. Die AfD sprach sich in der Debatte gegen das Gesetz aus.
Die Bundesregierung will mit der Gesetzesreform die „Letztverantwortung der Schwangeren in dieser höchstpersönlichen Angelegenheit“ sicherstellen. Zudem gehe es darum, dass das Fachpersonal seine Aufgabe möglichst ungestört ausüben könne. Ziel sei, „die Rechte der Schwangeren sowie das Beratungs- und Schutzkonzept in seiner Gesamtheit zu stärken“.
Konkret soll es verboten werden, „das Betreten der Einrichtungen durch Hindernisse absichtlich zu erschweren, eine Schwangere gegen ihren erkennbaren Willen die eigene Meinung aufzudrängen, sie erheblich unter Druck zu setzen oder sie mit unwahren Tatsachenbehauptungen oder verstörenden Inhalten zu konfrontieren“.
Dies gelte „für wahrnehmbare Verhaltensweisen“ in einem Bereich von 100 Metern um den Eingangsbereich der Beratungsstellen und Einrichtungen, in denen Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen werden. Verstöße sollen künftig eine Ordnungswidrigkeit darstellen und mit einem Bußgeld von bis zu 5.000 Euro belegt werden.
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