Emil Büge dokumentierte in seinen Aufzeichnungen "1470 KZ-Geheimnisse" heimlich den Alltag im Konzentrationslager Sachsenhausen. Vier Jahre war er dort in Haft, von 1939 bis 1943. Auf kleinen Zetteln notierte er das Grauen: Häftlinge, die man verhungern ließ, erfrieren, sich zu Tode arbeiten. Sie wurden geschlagen, gequält und gefoltert, erschlagen, aufgehängt, erschossen, stranguliert, vergast, vergiftet und durch andere unglaublich niederträchtige Misshandlungen zur Strecke gebracht.
Diese "Häftlinge", sie kamen aus mehr als 40 Nationen – unter ihnen viele Franzosen, Polen, Niederländer –, sie waren Soldaten der Roten Armee, Juden, politische Häftlinge, Homosexuelle und Zeugen Jehovas. In Sachsenhausen verloren sie ihr Leben. Alle drei Stunden einer.
Dass wir ihrer trotz der aktuellen Bedingungen auf würdige Art gedenken können, verdanken wir der Gedenkstätte Sachsenhausen. Vielen Dank, dass Sie das ermöglicht haben! Mein polnischer Amtskollege Jacek Czaputowicz und ich wären heute gern persönlich an Ihrer Seite gewesen, liebe Überlebende und Nachkommen. Doch im Moment bleibt uns nur diese Videobotschaft, um den Opfern und Ihnen allen unser tiefstes Mitgefühl auszudrücken und unseren Respekt zu erweisen. Dass Jacek Czaputowicz und ich dies gemeinsam tun, für dieses besondere Zeichen der deutsch-polnischen Verbundenheit bin ich zutiefst dankbar.
Mehr als 20.000 Menschen kamen im Konzentrationslager Sachsenhausen ums Leben. Würde man für jeden von ihnen eine Schweigeminute abhalten, bliebe es zwei Wochen lang still.
Aber der Kampf gegen das Vergessen darf nicht still sein. Wenn Gedenken als Schuldkult diffamiert wird, wenn Opfer zu Tätern umgedeutet werden, im In- oder im Ausland, dann können wir Deutschen das nicht schweigend hinnehmen. Das gebietet die Verantwortung vor unserer Geschichte, das gebietet der Respekt vor den Opfern des deutschen Vernichtungswahns. Der deutsche Vorsitz in der internationalen Allianz für Holocaust-Gedenken legt deshalb da seinen Schwerpunkt: im Kampf gegen die Holocaust-Leugner und -Verharmloser.
Um die Gesellschaft gegen das Gift des Hasses und des Antisemitismus zu immunisieren, müssen wir alle zu Zeugen werden. Deshalb haben wir letzte Woche entschieden, die Erinnerungsarbeit von Yad Vashem in Jerusalem für weitere zehn Jahre zu fördern. Denn jede Geschichte, jeder Name, die wir vor dem Vergessen bewahren, macht uns zu Zeugen - Zeugen für das, was war. Zeugen für das, was nie wieder sein darf. Zeugen, die laut sind, wenn Jüdinnen und Juden, Sinti und Roma heute wieder angegriffen werden auf unseren Straßen. Solidarisch zu sein mit den Opfern und mutig gegenüber den Tätern – das heißt Erinnern heute.
Und das ist die Botschaft, die von Sachsenhausen und den vielen Gedenkstätten in Deutschland und Europa ausgeht.
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