Zahlreiche Menschen versuchten, die Polizeiabsperrungen zu durchbrechen, um auf den Taksimplatz zu gelangen, der in der Vergangenheit Ausgangspunkt von Protestaktionen und deshalb vollständig abgeriegelt war, wie AFP-Reporter am Mittwoch berichteten. Örtlichen Medienberichten zufolge gab es bis zum Mittag insgesamt 150 Festnahmen - offiziell bestätigt wurde diese Zahl zunächst nicht.
Vor der Stadtverwaltung setzte die Polizei Tränengas gegen Menschen ein, die versuchten, Absperrungen zu durchbrechen, wie AFP-Reporter beobachteten. Auch der am 31. März wiedergewählte oppositionelle Bürgermeister Ekrem Imamoglu und der Vorsitzende seiner Partei CHP, Özgür Özel, die zu der Kundgebung vor der Stadtverwaltung aufgerufen hatten, konnten ihren Weg nicht fortsetzen. Özel erklärte, er werde nicht aufgeben, bis der Taksimplatz "befreit" sei. "Taksim gehört den Arbeitern", betonte er.
Die Demonstranten riefen: "Ihr könnt uns den Taksimplatz nicht wegnehmen. Taksim ist überall, der Widerstand ist überall!".
Der Taksimplatz war mit hohen Metallgittern abgeriegelt - seit Proteste gegen die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan im Jahr 2013 hier begonnen hatten, sind Demonstrationen auf dem Platz verboten. Zahlreiche Straßen der Stadt waren gesperrt, öffentliche Verkehrsmittel - darunter die Bosporusfähren - standen still.
Im Stadtteil Besiktas nahm die Polizei mindestens 30 linksgerichtete Demonstranten fest. Weitere 30 Festnahmen gab es im Stadtteil Sisli.
Am Dienstag hatte der türkische Innenminister Ali Yerlikaya erklärt, dass am Mittwoch mehr als 42.000 Polizisten in der Metropole im Einsatz sein würden. Zudem warnte er vor "Terrororganisationen", die den 1. Mai für ihre Aktionen und Propaganda nutzen wollten.
Im vergangenen Jahr hatte das türkische Verfassungsgericht entschieden, dass die Abriegelung des Taksimplatzes zur Verhinderung von Demonstrationen nicht rechtens ist.
kbh/ck © Agence France-Presse
Welche Geschichte hat der Taksimplatz für die Türkei?
Der Taksimplatz, gelegen im Herzen von Istanbul, Türkei, ist ein bedeutender öffentlicher Raum, der eine zentrale Rolle in der modernen Geschichte der Türkei gespielt hat. Der Platz ist nicht nur ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt und ein beliebter Treffpunkt, sondern auch ein Ort, an dem viele bedeutende politische und kulturelle Ereignisse stattgefunden haben. Hier sind einige wichtige Aspekte der Geschichte des Taksimplatzes:
Historische Bedeutung: Ursprünglich war der Taksimplatz ein Sammelpunkt für die Wasserverteilung während des Osmanischen Reichs, was ihm den Namen „Taksim“ gab, was „Teilung“ oder „Verteilung“ bedeutet. Im Laufe der Zeit entwickelte sich der Platz zu einem zentralen Punkt für gesellschaftliche und politische Aktivitäten.
Republikanische Ära: Nach der Gründung der Republik Türkei im Jahr 1923 wurde der Taksimplatz zu einem Symbol für die Modernisierung und Westernisierung der Türkei unter Mustafa Kemal Atatürk. Der Gezi-Park, der an den Taksimplatz angrenzt, und das Atatürk-Kulturzentrum sind Beispiele für diese republikanischen Bemühungen.
Politische Demonstrationen und Versammlungen: Über die Jahre war der Taksimplatz Schauplatz zahlreicher politischer Veranstaltungen und Demonstrationen. Besonders bekannt wurde der Platz durch die Ereignisse des 1. Mai 1977 (bekannt als „Blutiger Mai“), bei denen es während einer Maikundgebung zu Gewaltausbrüchen kam und mehrere Menschen getötet wurden.
Gezi-Park-Proteste 2013: Eine der bemerkenswertesten Episoden in der jüngeren Geschichte des Taksimplatzes waren die Gezi-Park-Proteste im Sommer 2013. Diese begannen als friedliche Demonstration gegen die geplante Bebauung des Gezi-Parks, eskalierten jedoch zu einer landesweiten Protestbewegung gegen die Regierung unter Premierminister Recep Tayyip Erdoğan und dessen als autoritär wahrgenommene Politik. Diese Proteste brachten Themen wie Freiheit, Demokratie und Bürgerrechte in den Vordergrund und hatten langanhaltende Auswirkungen auf die türkische Gesellschaft und Politik.
Der Taksimplatz bleibt ein zentraler Ort für kulturelle und politische Aktivitäten in Istanbul und ein Symbol für den städtischen Raum als Arena politischer und sozialer Auseinandersetzungen.
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