Die Einkommen und Betriebsgewinne der Landwirtinnen und Landwirte in Deutschland sind im Wirtschaftsjahr 2022/2023 deutlich gestiegen. Wie das Bundeslandwirtschaftsministerium am Dienstag mitteilte, kletterte das Durchschnittseinkommen je Arbeitskraft im Haupterwerb verglichen mit dem vorherigen Wirtschaftsjahr um 32,4 Prozent auf rund 61.000 Euro. Der Gewinn lag mit 113.900 Euro rund 39 Prozent über dem Vorjahreswert.
Damit ist das abgelaufene Wirtschaftsjahr den Angaben nach das mit Abstand erfolgreichste in den vergangenen zehn Jahren. Den erneuten Anstieg erklärte das Ministerium insbesondere mit dem "kräftigen Preisanstieg bei fast allen Agrarerzeugnissen, der sich in der Folge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine noch beschleunigt hat". Dadurch konnten die Betriebe ihre eigenen gestiegenen Kosten bei Energie und Futter "mehr als wettmachen".
Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) mahnte dennoch: "Wir dürfen uns aber nicht in falscher Sicherheit wiegen, sondern müssen jetzt erst recht anpacken." Es sei nötig, weitere Hürden aus dem Weg zu räumen und bürokratische Belastungen abzubauen.
"Unnötige Bürokratie bremst den Wandel und die Betriebe", heißt es in einem Papier des Landwirtschaftsministeriums, aus dem die "Süddeutsche Zeitung" (SZ) am Dienstag zitierte. "Das kostet Zeit und Nerven." Vor allem rund um die gemeinsame Agrarpolitik der EU müsse "Sand aus dem Getriebe". Hier seien "umfangreiche Vereinfachungen" geplant.
So sollten bei Betrieben mit weniger als zehn Hektar landwirtschaftlicher Fläche Kontrollen und Sanktionen wegfallen. Zudem soll es laut dem Bericht leichter werden, Weideland zu Bauland umzuwidmen. Auch Vorgaben für Blüh- oder Gehölzstreifen sollen flexibler gehandhabt werden.
Angesichts anhaltender Bauernproteste in mehreren europäischen Ländern in den vergangenen Monaten hatte die EU-Kommission weitreichende Zugeständnisse im Zuge ihrer Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) an die Landwirtschaft vorgeschlagen. Am Mittwoch treffen sich die Agrarministerinnen und Agrarminister der Länder, um über die nationale Umsetzung der Brüsseler Entscheidungen zu beraten.
Besonders kräftig war der Einkommens-Zuwachs bei den Veredlungsbetrieben. Dort steigerte sich das Einkommen pro Arbeitskraft um 86 Prozent auf 72.545 Euro. Die Gewinnsteigerung betrug demnach 110,4 Prozent auf durchschnittlich 125.647 Euro. Auch im Ackerbau und bei den Milchbauern wurden deutliche Einkommenszuwächse erzielt.
Inhaber von Weinbaubetrieben indes mussten einen Rückgang von neun Prozent beim Einkommen verzeichnen. Dieses belief sich auf 35.767 Euro im Wirtschaftsjahr 2022/2023. Der Gewinn ging um 13,1 Prozent zurück.
Auch zwischen den Bundesländern gibt es deutliche Unterschiede. Während die Einkommen in Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen und Hessen um jeweils mehr als 50 Prozent stiegen, war der Anstieg in Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg mit unter 20 Prozent deutlich schwächer.
Die regionalen Unterschiede der Haupterwerbsbetriebe hinsichtlich Betriebsgröße und Betriebsform führen zu deutlichen regionalen Unterschieden in der Einkommensentwicklung, erklärte das Landwirtschaftsministerium. Natürliche Standortfaktoren, wie die Bodengüte, die Höhenlage und das Klima, verstärkten diese Unterschiede.
Der Deutsche Bauernverband erklärte in Berlin, die guten Zahlen des Berechnungszeitraums 2022/23 seien inzwischen überholt. "Unsere Betriebe sind wieder in ein wirtschaftlich schwierigeres Fahrwasser geraten. Nach den uns vorliegenden Zahlen müssen wir für das aktuelle Wirtschaftsjahr 2023/24 mit einem Gewinneinbruch zwischen 30 und 50 Prozent im Vergleich zum Vorjahr rechnen", erklärte DBV-Präsident Joachim Rukwied. Er verwies auf wieder deutlich gesunkene Erzeugerpreise. Das Wirtschaftsjahr für landwirtschaftliche Betriebe geht im Regelfall von Anfang Juli bis Ende Juni.
mb/bk/hol afp