Sachsen-Anhalt | Haseloff | AfD
Interview der Woche
Der Ministerpräsident des Landes Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff, hat den europapolitischen Kurs der AfD scharf kritisiert.
Der CDU-Politiker sagte im Interview der Woche des Deutschlandfunks, alles, was Deutschland seit der Wiedervereinigung erfahren habe, habe es Europa zu verdanken. Die europäischen Partner hätten dies zugelassen, obwohl Deutschland schlimmes im 20. Jahrhundert zu verantworten habe. Haseloff sagte, wenn es die Europäische Union auch wirtschaftspolitisch nicht gäbe, dann wäre der Wohlstand vielleicht bei 60 Prozent des jetzigen Standes.
AfD ist mit faschistoiden Elementen versehen
Die Forderung des AfD-Politikers Höcke, diese Europäische Union müsse sterben, bezeichnete Haseloff als Katastrophe. Haseloff, der die AfD bereits früher als westdeutsche Partei bezeichnet hatte, sagte, man müsse sich fragen, was in den Jahrzehnten nach dem Krieg im Westen schiefgelaufen sei. Dass eine AfD von einer westdeutschen Elite gebildet worden sei und deren Spitzenfunktionäre heute versuchten, Europa und damit auch das Grundgesetz infrage zu stellen, müsse alle herausfordern. Man könne dies nicht laufen lassen. Haseloff bezeichnete die AfD als populistische, rassistische und mit faschistoiden Elementen versehene Partei.
Zu Begründung der Wahlerfolge der AfD in den ostdeutschen Bundesländern führte Haseloff ein soziales Umfeld an, in dem vieles noch nicht stabilisiert sei und das über eine ärmere Vermögenssituation verfüge. Außerdem eine Verunsicherung vieler Menschen: Wenn man zehn oder 15 Jahre arbeitslos gewesen sei und jetzt wieder Fuß gefasst habe, seien viele angesichts der gegenwärtigen Bundespolitik sehr ängstlich, ob ein zweiter Bruch in der eigenen Biographie nach dem Zusammenbruch der DDR schon wieder anstehe. Ein Großteil des jetzigen Protestpotentials sei auch dem Unvermögen einer vernünftigen Politik geschuldet, die nach außen vermittle, dass sie das ganze nicht im Griff habe, unabhängig davon, dass man zur Rechtfertigung sagen müsse, dass wir in einer Zeitenwende lebten.
Mitte-Rechts-Mehrheit reagiert auf linke Gesellschaftsbilder
Die Mehrheit der Bevölkerung stehe in der Mitte und rechts davon. Wenn, wie in Thüringen, eine Minderheitsregierung fünf Jahre lang Themen durchgepflegt habe, die nicht zu den existentiellen Themen wie Kommunalfinanzierung gehörten, sondern stattdessen versucht werde, Gesellschaftsbilder von links einer Mitte-Rechts-Mehrheit reinzudrücken, dann seien die Bewegungen innerhalb des Parteienspektrums und bei den Umfragen ein Ergebnis davon.
Zu der Diskussion über eine Brandmauer als Abgrenzung zur AfD sagte Haseloff, dort, wo die Mehrheitsverhältnisse noch einigermaßen klar seien, fänden die demokratischen Parteien immer eine mathematische Mehrheit. Auch bei pragmatischen Themenstellungen, die von der AfD kämen, könnten diese Parteien immer einen Alternativantrag stellen. Schwieriger werde es, wenn, wie in Thüringen, die Mehrheit der demokratischen und koalitionsfähigen Parteien nicht ausreiche. Demokratie müsse auch lernen, damit umzugehen. Er warne davor, mit einem Zeigefinger aus Köln, aus München oder von wo aus auch immer kluge Ratschläge zu geben.
Grenzkontrollen gegen ungeregelte Migration
Als einziges Mittel zur Verringerung der ungeregelten Migration, das relativ schnell wirke, bezeichnete Haseloff wirksame Kontrollen an den Grenzen. Damit könne auch verhindert werden, dass Russlands Präsident Putin dieses Thema für seine Kriegsführung instrumentalisiere. Es sei bekannt, wie Flüchtlingsströme auch über den russischen Einflussbereich in die Europäische Union hereingebracht würden.
Die jetzige Migration habe auch Auswirkungen auf die Kulturhomogenität in Deutschland und auch für Umsetzung der Staatsräson. Viele derjenigen, die jetzt kämen, gingen schwierig mit dem Standpunkt Deutschlands zu Israel um. Sachsen-Anhalt fordere für die Einbürgerung deshalb die schriftliche Erklärung, dass das Existenzrecht nicht infrage gestellt sondern unterstützt werde.
Bürgergeld führt zu mehr Migration nach Deutschland
Einen Grund für die hohe Anzahl von Migrantinnen und Migranten, die nach Deutschland gelangten, sieht Haseloff im Bürgergeld, das nichts mehr mit der Grundsicherung früherer Jahre zu tun habe, weil es viel mehr Leistungen umfasse. Diese Leistungen würden zu rund 50 Prozent für Nicht-Deutsche gezahlt. Dieses politische Thema bringe der AfD jeden Tag Wasser auf die Mühlen.
Haseloff sagte, er schließe aus, dass es in Russland zu einem Umsturz des jetzigen Regimes kommen werde. Zeitenwende bedeute, dass die Welt, auch die der Menschen in Deutschland, nie mehr so sein werde, wie in den Jahren unter Bundeskanzlerin Angela Merkel oder in der alten Bundesrepublik vor der Wende. Unsicherheit und kriegerische Aktivitäten könnten sehr lange anhalten und ganze künftige Biographien umfassen.
Das Interview führte Christoph Heinemann, Redakteur beim Deutschlandfunk.
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