„In wen bist du verknallt?“, will David Lindholm selbstbewusst wissen. Die Hauptkommissarin und alleinerziehende Mutter Charlotte neigt verlegen den Blick am Frühstückstisch, bevor sie sich fängt und ihrem Sohnemann ein schlichtes „Quatsch“ erwidert. Sie lächelt dabei kaum merklich, und doch weiß der Achtjährige genau, wie recht er hat. Das betörende Parfüm, die Ermittlerin aus Hannover bereits seit Tagen jeden Morgen vor Dienstbeginn aufträgt, ist ihr liebstes. Was sie David nicht erzählen möchte, nicht einmal sich selbst eingestehen will: Es ist für Nick. Für den charmanten Ehemann ihrer Kollegin Anaïs Schmitz.
Der Anruf, der auf dem Mobiltelefon der Kommissarin eingeht, reißt sie aus ihren verliebten Gedanken an jenen Mann, mit dem sie unverhofft im Büro einen zarten Kuss austauschte. Schmitz ist am Apparat, der Fund einer Leiche im Göttinger Stadtwald erfordert ihr sofortiges Kommen. Am Tatort eingetroffen, nimmt sie Anaïs bereits in Empfang und teilt Charlotte Lindholm im Fall „National feminin“ die ersten Untersuchungserkenntnisse mit:
Das Opfer ist eine Frau Anfang Zwanzig, die ohne Papiere oder Handy auf einem blutdurchtränkten Moosbett liegt. Das Fahrrad, das 300 Meter entfernt von der Leiche liegt, scheint ihres zu sein: das rechte Hosenbein ist noch hochgekrempelt. Der Rechtsmediziner Nick Schmitz macht vor Ort bereits die Leichenschau, als ihn Charlotte und seine Frau Anaïs erreichen. Er erklärt, dass weder Hände noch Arme Abwehrspuren aufweisen. Auch gibt es keinerlei Anzeichen für einen Vergewaltigungsversucht. Ein tiefer Schnitt in die Kehle hat ihr Leben beendet. Die KTU, die den Tatort bereits untersucht hat, konnte keine brauchbaren Indizien sammeln – der zwischenzeitliche Regen und der Hund der Joggerin, die die Leiche im Wald fand, sämtliche Spuren vernichteten.
Kurz bevor sich das Team zunächst wieder trennt, findet ein Mitarbeiter der Kriminaltechnik ein deaktiviertes, nasses pinkes Handy in der Umgebung. Nick tauscht uneindeutige Blicke mit Charlotte, bevor er zu seiner Anaïs geht und ihr mehrere Küsse gibt. „Schönen Hochzeitstag“, flüstert er ihr lächelnd zu. Charlotte Lindholm schaut betreten weg – und wünschte, sie wäre an der Stelle ihrer Kollegin.
Da zieht ein mit einer Kapuze verhüllter Mann auf einem Rad Lindholms Aufmerksamkeit im NDR-Tatort „National feminin“ auf sich. Als der Vermummte von der Kriminalbeamtin angesprochen wird, flieht der. Ein Mörder, der den Tatort ein zweites Mal aufsucht? Möglich. In der Zwischenzeit konnte das Opfer als die 23-jährige Marie Jäger identifiziert werden, die in einer vierköpfigen WG lebte. Und die hübsche Jura-Studentin hatte einen Stalker. Vor zwei Wochen erst erstattete sie eine Anzeige gegen Unbekannt, die Personenbeschreibung war zudem äußerst vage. Handelt es sich vielleicht um den Mann, der soeben vor der Polizei flüchtete?
Wie sich im Fall „National feminin“ herausstellt, war Jäger Teil einer jungen nationalistischen Bewegung in Göttingen. Die angehende Juristin führte einen Blog namens „National feminin“, in dem sie die Thesen ihrer Mentorin Professor Dr. Sophie Behrens propagierte. Auch die WG-Mitglieder Felix und seine schwangere Freundin Pauline sowie Sven brennen für das rechtsradikale Gedankengut; jetzt, da Marie umgebracht wurde, geben sie die Schuld den vermeintlich „frauenverachtenden Migranten“ und wettern gegen die Staatsgewalt. Im Verhörraum provozieren sie insbesondere die dunkelhäutige Hauptkommissarin Schmitz, für die Lindholm kurzerhand Partei ergreift. Die Äußerungen der ausländerfeindlichen Studenten gehen der feinfühligen Fahnderin gehörig an die Nieren. Überhaupt ist Charlottes Gefühlswelt im Augenblick alles andere als stabil, denn der sympathische Nick schwirrt ihr noch immer wild im Kopf herum.
Die Ermittlungen im Mordfall führen zur renommierten Jura-Professorin Behrens, die kurz vor ihrem Karriereaufstieg in das Bundesverfassungsgericht steht. Durch ihre Kritik am modernen Feminismus wurde sie zur regelrechten Ikone der jungen Bewegung, die von der Wohngemeinschaft um Marie Jäger und Felix Raue ins Leben gerufen wurde. Die beiden Kommissarinnen Schmitz und Lindholm finden im Tatort bald heraus, dass Jäger nicht nur Behrens Assistentin war, sondern auch deren Geliebte. Die mit einer Frau verheiratete Professorin hält es mit der Treue nicht allzu genau.
Behrens und Lindholm kennen sich aus früheren Tagen, als die Hauptkommissarin mit David schwanger war. Die Juristin ist bis heute scharfzüngig und anstrengend, und schnell geraten die beiden selbstbewussten Frauen wieder aneinander. Allerdings übt Sophie auch eine gewisse Anziehungskraft auf Charlotte aus. Hat sie aus verschmähter Liebe Marie umgebracht, als die die Affäre vor kurzem beendete? Die Beamtin geht ihrem Verdacht nach – und stößt prompt an ihre Grenzen, als sie erfährt, bis in welche Kreise Prof. Behrens ihre exzellenten Kontakte pflegt.
Titelbild: Einig gegen Rechts: Anais (Florence Kasumba) und Charlotte (Maria Furtwängler). Bild: NDR/Frizzi Kurkhaus