Mehr als einen Monat nach ihrer offiziellen Haftentlassung lebt die chinesische Journalistin Zhang Zhan weiter unter strikter Beobachtung der Behörden. Mitte Juni haben sie Mitarbeitende einer Polizeiwache in Shanghai vorgeladen. Die Polizisten drohten ihr, sie festzunehmen, sollte sie noch einmal „rote Linien“ überschreiten. Zhang war verurteilt worden, weil sie kritisch über den Beginn der Covid-19-Pandemie in Wuhan berichtet hatte. Reporter ohne Grenzen (RSF) fordert die internationale Gemeinschaft auf, sich für die Freiheit und Sicherheit der Journalistin einzusetzen.
„Wir bleiben in großer Sorge um Zhang Zhan und sagen es noch einmal deutlich: Die Journalistin ist immer noch nicht frei. Die chinesischen Behörden überwachen Zhang und drohen ihr, sie wieder festzunehmen“, sagte RSF-Geschäftsführerin Anja Osterhaus. „Zhang hat viel riskiert, um über ein Gesundheitsthema zu berichten, dass uns alle betrifft. Die mutige Journalistin braucht jetzt mehr denn je internationale Unterstützung.“
Zhang hatte im Frühjahr 2020 aus Wuhan berichtet. Sie zeigte in Livestreams in sozialen Netzwerken die Verhältnisse in den Straßen und Krankenhäusern der Stadt sowie die Schikanen, denen die Familien von Erkrankten ausgesetzt waren. Zhang postete mehr als 100 Videos auf YouTube, WeChat und Twitter. Ihre Berichterstattung war eine wichtige unabhängige Quelle zur Situation in der Region. Für ihren Mut würdigte RSF die Journalistin 2021 mit dem RSF Press Freedom Award.
Im Mai 2020 wurde Zhang festgenommen. Ende Dezember 2020 verurteilte sie ein Gericht in Shanghai zu vier Jahren Haft, weil sie „einen Streit angefangen und Ärger provoziert“ haben soll – neben „Spionage“ und „Umsturz“ ein Vorwurf, mit dem das Regime häufig gegen Kritikerinnen und Kritiker vorgeht.
Am 13. Mai 2024 sollte Zhang aus dem Frauengefängnis Shanghai entlassen werden. Mehr als eine Woche gab es keine Informationen über ihren Aufenthaltsort. Nach internationalem Druck durch RSF und anderen Organisationen veröffentlichte Zhang über eine Mittelsperson schließlich ein kurzes Video, in dem sie leise und stockend ihre Freilassung bestätigte und angab, bei ihrer Familie zu sein. Laut ihren engsten Vertrauten war sie jedoch keineswegs frei und wird weiter genau vom Regime beobachtet.
RSF hat sich immer wieder für die Freilassung Zhangs eingesetzt und auf ihren zwischenzeitlich sehr schlechten Gesundheitszustand aufmerksam gemacht. Während der ersten Monate in Haft ist die Journalistin fast gestorben, weil sie in einen Hungerstreik getreten war. Gefängnismitarbeitende hatten sie über eine Nasensonde zwangsernährt und manchmal tagelang die Hände gefesselt. Im Juli 2023 wog sie nur noch 37 Kilogramm, die Hälfte dessen, was sie vor ihrer Festnahme wog.
Am 17. Juni forderte die EU die Freilassung Zhangs und betonte, dass ihre strenge Überwachung und die Einschränkung ihrer Bewegungsfreiheit „unzumutbar“ seien. Im Mai forderte das US-Außenministerium ein sofortiges Ende der restriktiven Maßnahmen gegen die Journalistin. Die britische Botschafterin für Menschenrechte forderte, dass Zhang „ohne Angst vor weiterer Einschüchterung und Schikanen“ leben kann.
Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht China auf
Platz 172 von 180 Staaten. Mindestens 109 Medienschaffende sitzen dort
derzeit wegen ihrer Arbeit im Gefängnis, mehr als in jedem anderen Land.
reporter-ohne-grenzen