Berlin - Zu den Äußerungen von Bundesernährungsministerin Julia Klöckner zum Thema Lebensmittelskandale/Lebensmittelkontrollen in der Bild-Zeitung vom 12.10. erklärt Martin Rücker, Geschäftsführer der Verbraucherorganisation foodwatch:
"Indem Frau Klöckner allein an die Bundesländer appelliert, unternimmt sie einen ebenso plumpen wie billigen Versuch, von der eigenen Verantwortung abzulenken. Doch es ist wie im echten Leben: Wenn die Ministerin mit dem Zeigefinger auf andere zeigt, sind drei Finger auf sie selbst gerichtet. Es gibt nur deshalb immer wieder neue Skandale, weil die immer gleichen, längst bekannten Schwachstellen und Gesetzeslücken im europäischen und deutschen Lebensmittelrecht nicht beseitigt werden. Frau Klöckner hat in ihrer gesamten Amtszeit darüber kein Wort verloren und hat keinerlei Initiative ergriffen. Mit dieser Haltung ist die Ministerin das größte Risiko für die Lebensmittelsicherheit in Deutschland.
Fakt
ist: Erst im Mai hat Klöckners Ministerium einen Entwurf für eine neue
Verwaltungsvorschrift vorgelegt, durch die den
Lebensmittelkontrollbehörden weniger Betriebskontrollen als bisher
vorgeschrieben wären - eine eklatante Schwächung der Kontrollen. Denn
jeder weiß, dass von der Zahl der vorgegebenen Kontrollen auch der
Personalschlüssel abhängt. Frau Klöckners Pläne, wenn sie nicht endlich
vom Tisch genommen werden, würden also nicht für mehr, sondern für
weniger Kontrolleure sorgen. Es ist daher wohlfeil, wenn die Ministerin
bei den Ländern jetzt ausreichend Personal und ausreichende Kontrollen
anmahnt.
Fakt ist: Was im Listerien-Fall um die Firma
Wilke bei der Information der Öffentlichkeit schiefging, geht zum
größten Teil auf Lücken in den Bundesgesetzen zurück. Behörden könnten
schon längst per Bundesgesetz dazu verpflichtet werden, alle bekannten
Namen von betroffenen Produkten, Marken und Verkaufsstellen unverzüglich
öffentlich zu machen - sie sind es bisher nicht. Die Handelsunternehmen
und andere Essensabgabestellen könnten schon längst dazu verpflichtet
sein, ihre Kunden über Rückrufe von Lebensmittelherstellern zu
informieren, wenn sie deren Produkte verkauft haben - sie sind es bisher
nicht. Die Lücken sind seit Jahren bekannt, Frau Klöckner hat nichts
dazu getan, sie schließen.
Fakt ist: Die konsequente
Veröffentlichung aller amtlichen Kontrollergebnisse sorgt in anderen
Ländern nachweislich zu besserer Hygiene in den Lebensmittelbetrieben -
dauerhafte Hygienesünder werden so auf Spur gebracht und Skandale
verhindert. Entgegen dem Versprechen für mehr Transparenz im
Koalitionsvertrag hat das Klöckner-Ministerium den Ländern jedoch bei
der jüngsten Verbraucherschutzministerkonferenz erklärt, in dieser
Legislaturperiode keine Gesetzesinitiative vorlegen zu wollen.
Fakt
ist: Die im europäischen Lebensmittelrecht vorgeschriebene lückenlose
Rückverfolgbarkeit von Lebensmittel über die kompletten Lieferwege ist
nicht durchgesetzt. Die Behörden wissen nicht, wo das Pferdefleisch
herkam oder hinging, sie haben keine Ahnung, wo all das
Separatorenfleisch landet, das eigentlich deklariert werden müsste - und
auch von den Lieferwegen im Fall Wilke hatten sie kaum einen Schimmer.
Frau Klöckner hat nichts unternommen, um die im Ernstfall lebenswichtige
Rückverfolgbarkeit durchzusetzen - es ist höchste Zeit, dass die
Europäische Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen
Deutschland einleitet."
Hintergrund: Nach
dem Listerien-Skandal um Produkte der hessischen Firma Wilke hatte
Bundesernährungsministerin Julia Klöckner in der Bild-Zeitung vom 12.
Oktober 2019 ausschließlich die Verantwortung der Bundesländer betont.
Diese müssten in ihrer Zuständigkeit für die Lebensmittelüberwachung für
"regelmäßige, effektive Kontrollen" sorgen und ihren Aufgaben "mit
ausreichend Personal [...] gerecht werden".
Quellen:
- Aussagen von Julia Klöckner in der Bild-Zeitung: www.bild.de/politik/inland/politik-inland/milch-verseucht-schimmelwurst-ist-ihnen-unser-essen-wurscht-frau-kloeckner-65295994.bild.html
- Zu den Plänen des Klöckner-Ministeriums für eine Schwächung der Lebensmittelüberwachung: www.foodwatch.org/de/pressemitteilungen/2019/geleakte-dokumente-kloeckner-ministerium-plant-schwaechung-der-staatlichen-lebensmittelueberwachung/
foodwatch e.V.
Fotos: Pixabay