Die Deutsche Aidshilfe (DAH) unterstützt Patient*innen mit einer digitalen Handreichung beim Umgang mit der elektronischen Patient*innenakte (ePA). Sie will damit einen selbstbestimmten Umgang mit sensiblen Gesundheitsdaten befördern und Menschen die Möglichkeit eröffnen, sich vor Diskriminierung im Gesundheitswesen zu schützen. Da die Informationen für alle gesetzlich Krankenversicherten relevant sind, stellt die DAH die Handreichung unter einer freien Lizenz allgemein zur Verfügung und bietet damit eine leicht nutzbare Alternative zu den Pflichtinformationen der Krankenkassen.
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„Die ePA bietet große Chancen für eine bessere Versorgung. Leider wurde im Gesetz wie im Entwicklungsprozess versäumt, Vorkehrungen für einen einfachen und selbstbestimmten Umgang damit zu treffen. Wir zeigen Wege, Nutzen und Risiken individuell abzuwägen und persönliche Entscheidungen über die Freigabe von sensiblen Daten zu treffen“, sagt DAH-Vorstand Stefan Miller.
Mit der ePA droht Diskriminierung
Anfang 2025 erhalten alle gesetzlich Versicherten eine elektronische Patient*innenakte (ePA) – es sei denn, sie widersprechen. Patient*innen stehen vor der Entscheidung, ob und wie sie die ePA nutzen möchten.
Insbesondere für Menschen mit stigmatisierten Erkrankungen wie HIV ist diese Frage hoch relevant: Sie müssen im Gesundheitswesen mit Stigmatisierung und Benachteiligung rechnen, wie etwa die Studie positive stimmen 2.0 deutlich vor Augen führt. Dies betrifft auch viele andere Patient*innengruppen, etwa Menschen mit psychischen oder Abhängigkeitserkrankungen. Queere Menschen beispielsweise müssen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität Diskriminierung fürchten.
Wenn Patient*innen nicht selbst aktiv werden, sind ab nächstem Jahr viele ihrer Daten allen medizinischen Einrichtungen, die sie besuchen, zugänglich – vom Hausarzt über die Notfallambulanz bis zur Apotheke. Wer die Akte hingegen nicht nutzt, verliert ihren Nutzen. Ein Mittelweg ist die Beschränkung der Inhalte.
Individuelle Steuerung der ePA ist kompliziert
Bestimmte Informationen aus der Akte herauszuhalten oder nur bestimmten medizinischen Einrichtungen zur Verfügung zu stellen, ist zwar prinzipiell möglich, jedoch kompliziert. Es gibt viele Fallstricke und Begrenzungen. So lassen die integrierte Medikamentenliste sowie die Abrechnungsdaten der Krankenkassen Rückschlüsse auf Diagnosen zu – oder zum Beispiel im Falle der HIV-Prophylaxe PrEP auf die Sexualität.
Umfassendes Infoangebot aus Patient*innenperspektive
Die Handreichung informiert leicht verständlich über folgende Themen:
Vorteile und Risiken der ePAIT-Sicherheit: Wie steht es um die Sicherheit der Daten? Forschungsdaten: Wer bekommt Zugang?Was tun? Rechte und Widerspruchsmöglichkeiten
Das Angebot wurde gemeinsam mit Patient*innen entwickelt und beantwortet deren häufigste Fragen. Beispielfälle sind HIV, Abhängigkeitserkrankungen und psychische Erkrankungen.
Die Analyse der ePA zeigt dabei sehr deutlich: Das aktuell geplante System hat bezüglich Patient*innenrechten und Datenschutz noch gravierende Mängel. Es muss dringend technisch nachgebessert werden.
„Das Wohl der Patient*innen muss bei der Ausgestaltung der ePA im Vordergrund stehen. Das Recht, sensible Informationen für sich zu behalten, darf durch die ePA nicht aufgeweicht werden“, sagt DAH-Vorstand Stefan Miller. „Wer dieses Recht ernst nimmt, muss zudem eine leicht durchschaubare und handhabbare Software zur Verfügung stellen. Bei der Navigation durch die ePA darf kein anderes Interesse maßgeblich sein als die Patient*innenperspektive.“
Die Gestaltung entsprechender Nutzungsoberflächen ist eine wichtige Aufgabe für die Zukunft. Sie sollten zum Beispiel Aussagen erlauben wie „Ich möchte, dass Informationen über meine HIV-Infektion nur bestimmten Ärzt*innen zugänglich sind.“ Die technische Umsetzung könnte dann im Hintergrund erfolgen und wäre nicht mehr die Aufgabe der Patient*innen.
Deutsche Aidshilfe
Foto: Jens Kalaene / alliance/dpa/dpa-Zentralbild
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