Hamburg (SID) Mit dem Schlusspfiff kochten die Emotionen hoch, die türkischen Fans feierten und besangen den Einzug ins Achtelfinale der Fußball-EM in Deutschland ausgelassen. Hakan Calhanoglu mimte am Mittelkreis erst den Einpeitscher, dann ging der überragende Spielmacher in einer riesigen Jubeltraube unter. Dank eines 2:1 (0:0) gegen Tschechien zog die Türkei erstmals seit 16 Jahren in die K.o.-Runde eines großen Turniers ein. Jetzt geht es im Achtelfinale am Dienstag in Leipzig gegen Ralf Rangnicks Österreicher.
Für die dezimierten Tschechen ist das Turnier dagegen schon beendet - trotz des großen Kampfes, den sie nach der frühen Gelb-Roten Karte für Antonin Barak (20.) boten. Nach Schlusspfiff sah Tomas Chory nach einer Rudelbildung die Rote Karte.
Nach einer glanzlosen ersten Hälfte traf Calhanoglu kurz nach der Pause mit einem satten Rechtsschuss (51.) und ließ die vielen türkischen Fans im Volksparkstadion jubeln. Die Tschechen glichen zwar durch Tomas Soucek (66.) aus. Am Ende fehlte ihnen neben der Power auch das notwendige Spielglück. Cenk Tosun (90.+4) machte in einer wilden Schlussphase für die Türken alles klar, die Arena bebte.
"Man kann das nicht beschreiben, es ist ein Glücksgefühl - das ist erst der Anfang", sagte Tosun: "Ich bin wirklich glücklich über das Tor. Jetzt bereiten wir uns auf Österreich vor."
Tschechien hätte einen Sieg benötigt, um ins Achtelfinale einzuziehen. Dort stehen nun die "Ay-Yildizlilar" (die Halbmond-Sterne), die sich mit sechs Punkten Platz zwei in Gruppe F sicherten. Um gegen die starken Österreicher zu bestehen, benötigt die Türkei dennoch eine Leistungssteigerung. Tschechien, noch vor drei Jahren Viertelfinalist, erlebte dagegen eine herbe Enttäuschung.
Zwar gehörte den Tschechen die Anfangsphase, sie suchten auch ohne ihren EM-Rekordtorjäger Patrik Schick (Wadenverletzung) sofort den Vorwärtsgang. Doch zu nennenswerten Chancen kamen sie nicht, die Türken standen sicher. Und wenn doch etwas durchkam, war Mert Günok zur Stelle.
Der
abgefälschte Schuss von Lukas Provod (2.) stellte den türkischen Keeper
ebensowenig vor Probleme wie der Fernschuss von David Jurasek (15.).
Brenzliger wurde es, als der Hoffenheimer Sekunden vor dem Seitenwechsel
plötzlich allein vor dem türkischen Tor auftauchte. Günok parierte mit
dem Oberkörper.
Dennoch: Die Türken hatten deutlich mehr vom Spiel - scheuten aber zunächst das Risiko. Während die Tschechen nach dem berechtigten Platzverweis früh in den Seilen hingen, fehlte es bei Calhanoglu und Co. an der letzten Konsequenz. Mehr als einen 25-Meter-Versuch (13.) und einen abgeblockten Seitfallzieher (27.) jeweils von Supertalent Arda Güler bekamen die Türken vorne im ersten Abschnitt nichts zustande.
Doch dann drehte Calhanoglu auf. Der Spielmacher, dessen Karriere vor zehn Jahren beim HSV richtig Fahrt aufgenommen hatte, schoss die Türkei gleich mit seinem ersten Abschluss ins Glück.
Weil die Türken in der Folge aber zu sorglos mit ihren Chancen umgingen, kam Tschechien zurück ins Spiel. Soucek profitierte bei seinem Treffer von einem Fehler Günoks, der eine Flanke aus den Fingern flutschen ließ und so den Ausgleichstreffer erst ermöglichte. In der Folge rannte Tschechien wie wild an, die Türken wankten - und jubelten am Ende doch über den Siegtreffer.
Kristof STÜHM und Christoph STUKENBROCK /
© 2008-2024 Sport-Informations-Dienst