Breites Bündnis fordert von Bundesregierung: Kürzungen stoppen! Offener Brief an Bundeskanzler, Vizekanzler und Finanzminister
Berlin, 30. Juni 2024. Sechzehn führende zivilgesellschaftliche Verbände warnen in einem offenen Brief vor den angekündigten Kürzungen im Bundeshaushalt 2025. Sie fordern
eine Kurskorrektur in der Finanz- und Haushaltspolitik, die die
aktuellen nationalen und internationalen Herausforderungen anerkennt,
den sozialen Zusammenhalt stärkt und mutig in die Zukunft investiert. Zu
den Unterzeichnern gehören der Deutsche Gewerkschaftsbund, die Klima-Allianz Deutschland, der Deutsche Naturschutzring, der Deutsche Kulturrat, der Deutsche Mieterbund und der Paritätische Gesamtverband.
„Lassen Sie nicht länger zu, dass notwendige Investitionen in Klimaschutz, die soziale Sicherung, Demokratieförderung oder zur Sanierung der öffentlichen Infrastruktur gegeneinander ausgespielt werden“, heißt es in dem Brief, der am Samstag an Bundeskanzler Scholz,Vizekanzler Habeck und Finanzminister Lindner verschickt wurde. „Anstatt Ausgaben zu kürzen, fordern wir Sie auf, die Handlungsfähigkeit unseres Staates zu erhalten“, schreiben die Verbände.
Stefan Körzell, Mitglied im geschäftsführenden DGB-Bundesvorstand: „Die Bundesregierung muss endlich ihr Fortschrittsversprechen einlösen: Sie muss dafür sorgen, dass seit Jahren überfällige Investitionen in einen wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandort, in nachhaltige Wertschöpfung und gute Arbeitsplätze endlich kommen. Jetzt einen starren Spar- und Kürzungskurs zu fahren, reduziert politischen Handlungsspielraum, vergrößert die Probleme und schadet unserem Land. Die Schuldenbremse muss ausgesetzt und grundlegend reformiert werden. Mit der Schuldenbremse spart Deutschland nicht für unsere Kinder, sondern an ihrer Zukunft.”
Dr. Christiane Averbeck, Geschäftsführende Vorständin der Klima-Allianz Deutschland: „Mekka, Porto Alegre, Pfaffenhofen: Hunderte Menschen sind dieses Jahr bereits durch Überflutungen und extreme Hitze umgekommen. Die Kürzungspläne machen mich fassungslos. Wir müssen jetzt in den Ausbau der Schiene, die sozial gerechte Wärmewende und die Klimawende der Industrie investieren! Bevölkerung und Unternehmen wünschen sich einen handlungsfähigen Staat und ein modernes Land. Jeder Euro, den wir heute in Klimaschutz und -anpassung investieren, ist unsere Versicherung für die Zukunft.“
Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats: „Gerade in einer Zeit, in der überall von gesellschaftlicher Spaltung die Rede ist, wo Weltanschauungen scheinbar unversöhnlich aufeinander treffen, kommt Kunst und Kultur eine wichtige verbindende Rolle zu. Sie öffnet Diskursräume und schafft damit eine Plattform, auf der Gespräch und Austausch möglich sind. In diesem Bereich den Rotstift anzusetzen wäre fatal und würde auch für die Zukunft einen immensen Schaden anrichten.“
Joachim Hagelskamp, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes: „In Krisenzeiten sind die Menschen auf soziale Sicherheit angewiesen. Nichts wäre fataler, als jetzt an den sozialen Leistungen und Angeboten zu sparen, die entscheidend für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft sind. Wir erwarten von der Bundesregierung, dass sie sich mit dem Bundeshaushalt 2025 dem Rechtsruck im Land entgegenstellt und deutlich mehr Ausgaben für soziale Sicherheit und soziale Infrastruktur bereitstellt.”
Deutscher Kulturrat e.V.
Der offene Brief im Wortlaut:
29.06.2024
Sehr geehrter Herr Bundeskanzler,
sehr geehrter Herr Vizekanzler,
sehr geehrter Herr Bundesfinanzminister,
Sie verhandeln in diesen Tagen über den Regierungsentwurf zum Bundeshaushalt 2025. Wir sind zutiefst besorgt über die drohenden Kürzungen und rufen Sie auf, Ihren Kurs zu korrigieren.
In einer Zeit, in der der internationale Druck auf Wertschöpfung und Beschäftigung in Deutschland steigt, sich die Klimakrise verschärft und die soziale Ungleichheit zunimmt, braucht es eine Finanz- und Haushaltspolitik, die die aktuellen nationalen und internationalen Herausforderungen anerkennt, den sozialen Zusammenhalt stärkt und mutig in die Zukunft investiert.
Lassen Sie nicht länger zu, dass notwendige Investitionen in Klimaschutz, die soziale Sicherung, Demokratieförderung oder zur Sanierung der öffentlichen Infrastruktur gegeneinander ausgespielt werden. Das fördert die Entsolidarisierung unserer Gesellschaft und spielt den Feinden unserer Demokratie in die Hände.
Die Kürzung von öffentlichen Investitionen in Infrastruktur, soziale Daseinsvorsorge und Klimaschutz wird besonders diejenigen hart treffen, für die sich der finanzielle Druck aufgrund der Krisen der vergangenen Jahre bereits deutlich erhöht hat. Ein Fünftel der Bevölkerung ist bereits heute von Armut bedroht und kann weitere Einschnitte nicht mehr auffangen. Aber auch darüber hinaus, bis in die Mittelschicht hinein, sind gestiegene Mieten, Lebensmittel- und Energiepreise zu einer Belastung geworden.
Anstatt Ausgaben zu kürzen, fordern wir Sie auf, die Handlungsfähigkeit unseres Staates zu erhalten. Wir brauchen einen Staat, der seinen Bürgerinnen und Bürgern in einem sich wandelnden Lebens- und Arbeitsumfeld die notwendige Sicherheit bietet, sie bei notwendigen Klimaschutzmaßnahmen gezielt unterstützt, die Modernisierung deröffentlichen Infrastruktur vorantreibt und mit der Dekarbonisierung der Wirtschaft die Chancen für zukünftigen Wohlstand eröffnet.
Wir appellieren daher eindringlich an Sie, alle Möglichkeiten einer erweiterten Kreditaufnahme für den Bundeshaushalt 2025 auszuschöpfen und die angekündigten Kürzungen abzuwenden. Folgen Sie den Empfehlungen zahlreicher nationaler und internationaler Wissenschaftler*innen und Institutionen für eine Ausweitung der Nettokreditaufnahme. Die notwendige Reform der Schuldenbremse darf nicht länger blockiert werden. Es besteht Einigkeit darin, dass die Schuldenbremse einerseits in Zeiten wirtschaftlichen Abschwungs mehr Spielraum für wohlstandsfördernde Maßnahmen lassen und andererseits mehr Investitionen ermöglichen muss.
Angesichts des massiven Investitionsstaus in den Bereichen Infrastruktur, Digitalisierung, Bildung und Kultur, Gesundheitswesen sowie bezahlbarer Wohnraum braucht es eine bedarfsgerechte Steigerung der öffentlichen Investitionstätigkeit. Hinzu kommen die steigenden Bedarfe für sozial gerechten Klimaschutz und Klimaanpassung. Dies macht es notwendig, Zukunftsinvestitionen von der Schuldenbremse auszunehmen und per Kreditaufnahme zu finanzieren.
Wir fordern Sie daher eindringlich auf: Stoppen Sie die Kürzungen, stärken Sie die Demokratie und erneuern Sie Ihr Versprechen aus dem Koalitionsvertrag, in die Modernisierung dieses Landes zu investieren.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Christiane Averbeck
Geschäftsführende Vorständin
Klima-Allianz Deutschland
Stefan Körzell
Mitglied des
Geschäftsführenden DGB-
Bundesvorstands
Prof. Dr. Kai Niebert
Präsident Deutscher
Naturschutzring
Olaf Zimmermann
Geschäftsführer Deutscher
Kulturrat
Michael Groß
Vorsitzender Präsidium AWO
Bundesverband
Olaf Bandt
Vorsitzender Bund für Umwelt
und Naturschutz Deutschland
Lukas Siebenkotten
Präsident Deutscher
Mieterbund
Pfarrer Rüdiger Schuch
Präsident Diakonie
Deutschland
Landeskirchenrat Dr. Jan-Dirk
Döhling, Leiter Institut für Kirche
und Gesellschaft der
Evangelischen Kirche von
WestfalenJoachim Hagelskamp,
Stv. Hauptgeschäftsführung
Der Paritätische
Gesamtverband
Michaela Engelmeier
Vorstandvorsitzende
Sozialverband Deutschland
Carl Mühlbach
Geschäftsführer Fiscal Future
Verena Bentele
Präsidentin Sozialverband VdK
Deutschland
Heike Vesper
Vorständin Transformation
Politik & Wirtschaft beim WWF
Deutschland
Martin Kaiser
Vorstand Greenpeace
Deutschland
Christoph Bals
Politischer Geschäftsführer
Germanwatch