Köln (ots) Kölner Völkerstrafrechtler Claus Kreß stellt den türkischen Staatspräsidenten wegen der türkischen Militäroperation in Syrien unter den Verdacht eines völkerrechtswidrigen Angriffskrieges
Der Kölner Völkerstrafrechtler Claus Kreß stellt den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan wegen der türkischen Militäroperation in Syrien unter den Verdacht eines völkerrechtswidrigen Angriffskrieges. Erdogan "könnte sich wegen seiner Anordnung des Gewalteinsatzes des Verbrechens der Aggression (früherer Begriff: Angriffskrieg) strafbar gemacht haben und durch die Aufrechterhaltung dieser Anordnung weiterhin strafbar machen", schreibt der Direktor des Instituts für Friedenssicherungsrecht der Universität zu Köln in einem Gastbeitrag für den "Kölner Stadt-Anzeiger" (Montag-Ausgabe). Damit könnte Erdogan ein Fall für den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag werden.
Beklemmend viel deute darauf hin, dass es sich bei der offiziellen türkischen Bezeichnung "Friedensquelle" für die Intervention im Nachbarland "um die hochgradig zynische Beschönigung eines brachialen militärischen Vorgehens handelt, das sich zu einem blutigen Desaster auswachsen könnte", so Kreß. Selbst auf der Grundlage einer für die Türkei günstigen Auslegung des Selbstverteidigungsrechts ist nach Ansicht des international anerkannten Spezialisten nicht erkennbar, dass "Friedensquelle" im Einklang mit dem Völkerrecht steht.
Kreß, der wissenschaftliches Mitglied der deutschen Regierungsdelegationen bei den Verhandlungen zum Internationalen Strafgerichtshof war, kritisierte aber auch die Reaktion des Westens und insbesondere der Nato-Partner der Türkei, also auch Deutschlands. "Das Völkerrecht in diesem Fall nicht präventiv in Stellung gebracht zu haben, ist ein schwerwiegendes kollektives Versäumnis", so Kreß. "Ist kollektives völkerrechtliches Schweigen die Reaktion darauf, dass das Gewaltverbot im hellsten Licht der Weltöffentlichkeit massiv in Frage gestellt wird, so droht der Eckstein der internationalen Rechtsordnung ins Wanken zu geraten."
Es sei nicht ersichtlich, dass die Türkei von ihren Bündnispartnern öffentlich aufgefordert worden wäre, der Weltöffentlichkeit die Vereinbarkeit ihrer in Aussicht gestellten Militäroperation mit dem Völkerrecht nachprüfbar zu begründen. "Selbst als der türkische Gewalteinsatz begonnen hatte, kam das Völkerrecht in der Kritik der Nato nicht vor. Man überließ es dem syrischen Gewaltherrscher Baschar al-Assad, der selbst im Verdacht steht, für zahlreiche völkerrechtliche Verbrechen verantwortlich zu sein, auf eben dieses Völkerrecht hinzuweisen. So mutig waren im 'Westen' bislang nur Liechtenstein und die Schweiz."
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